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Gesellschaft

„Gerade kleine Kinder fühlen sich dann unsicher, wenn wir Eltern unsicher sind.
“

Golrokh Esmaili · 24.02.2021

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Nicola Schmidt

Nicola Schmidt

Wir fragen Menschen, die mit Kindern leben und arbeiten nach ihrer Meinung. Ein Jahr Corona hat uns alle ganz schön mitgenommen. Wie verarbeiten wir diese Situation als Gesellschaft? Welche Folgen hat Corona für die Entwicklung unserer Kinder? Was tut Familien jetzt gut? Und was können sie so gar nicht gebrauchen? Golrokh Esmaili spricht darüber mit Nicola Schmidt.

Nicola ist zweifache Mutter, Bestseller-Autorin, Diplom-Politologin, Wissenschaftsjournalistin, ausgebildeter Coach sowie Gründerin und Geschäftsführerin des artgerecht-Projekts. „artgerecht“ beschäftigt sich mit der Frage, was Kinder brauchen, um gut und gesund aufzuwachsen – und wie Eltern das Bedürfnis nach Nähe, Schutz, Getragensein, essen dürfen, wenn sie hungrig sind, und schlafen dürfen, wenn sie müde sind in unserer modernen Welt erfüllen können.

Golrokh Esmaili: Nicola, hat sich die Lebensqualität unserer Kinder im letzten Jahr verschlechtert? Ich denke an Kindergartenkinder, Schulkinder und pubertierende Kinder.
Nicola Schmidt: Du kennst mich, ich halte jede pauschale Aussage für unseriös. Es kommt natürlich auf den Einzelfall an – Stadt, Land, Familie, alleinerziehend, Eltern in Finanznot oder nicht, funktionale oder dysfunktionale Familie. Aber grundsätzlich würde ich sagen: nicht zwangsläufig. Besonders schwierig ist es für die Kinder, die Kindergarten und Schule brauchen, um zum Beispiel ihre Eltern zu entlasten oder weil zu Hause keine adäquate Betreuung möglich ist. Aber es kommt immer auch auf den Blickwinkel an! Viele Menschen, mit denen ich spreche, äußern sich erstaunlicherweise so, als hätten wir eine Ausgangssperre – aber Kinder können weiterhin draußen spielen. Wir können auch weiterhin Sport machen – nur eben nicht im Verein. Wir können auch weiterhin lernen – nur eben nicht in der Schule. Der gefühlte Stress ist nicht zu unterschätzen, machen wir uns also klar: Stress findet vor allem im Gehirn statt. Gefühle brauchen keine Ursache in der Wirklichkeit, um sich sehr, sehr real anzufühlen.

Gewöhnen Kinder sich an die Unsicherheit der Situation?
Gerade kleine Kinder fühlen sich vor allem dann unsicher, wenn wir Eltern unsicher sind. Wenn wir Sicherheit ausstrahlen „Ich weiß nicht, wann die Schule wieder aufmacht, aber das wird wieder“, dann ist es leichter für sie. Aber da sich die Situation ständig ändert, ist es für uns Eltern sehr schwierig, psychologisch im Gleichgewicht zu bleiben. Wir müssen daher gut mit uns umgehen: Uns gut um uns und unsere Kinder kümmern, ihre und unsere Ängste ernst nehmen, unsere Situation akzeptieren und – der wichtigste Punkt: Nachrichtenhygiene betreiben. „Information Overload“ verstärkt den Stress, dass ist längst bekannt, daher ist es wichtig, die Negativitätstendenz unserer Gehirne nicht ständig zu füttern.

Wir haben Kontaktbeschränkungen, viele Kinder sind seit Monaten zu Hause und haben nur die Eltern als Bezugspersonen. Wie können wir Alternativen bieten?
Die meisten Kinder, die ich kenne, trafen in den vergangenen Monaten immer wieder auch mal einen anderen Haushalt – wie es ja auch in den meisten Bundesländern erlaubt war und ist. Damit haben sie eine Spielperson außerhalb der Familie, was wir gut pflegen sollten. Und ansonsten ist Skypen, Zoomen etc. eine Alternative - man kann auch über Zoom zum Beispiel zusammen einen Film schauen, um mal die Eltern auf beiden Seiten zwei Stunden zu entlasten. Und jeder braucht Zeit für sich - nicht nur vor dem Tablet, eher noch im Wald.
 
Verpassen unsere Kinder gerade etwas, weil sie nicht in die Schule oder in den Kindergarten gehen?
Entwicklungspsychologen sagen uns: Kinder können sich ganz normal entwickeln, auch unter den gegebenen Umständen. Je nach Alter der Kinder können sie sogar neue Kompetenzen erlernen: Die großen Kinder können zum Beispiel Selbstmanagement und Zeitmanagement lernen und werden so stärker und selbstständiger. Bei kleinen Kindern ist es mehr die Bindung, das Zusammensein mit den Eltern, das ihnen sogar gut tun kann.
 
Wie können wir unsere Kinder in der Situation stärken?
Indem wir Resilienz vorleben: Wir akzeptieren, was wir nicht ändern können, behalten Selbstwirksamkeit, wo es möglich ist und nutzen die Zeit sinnvoll. Wir können ihnen vorleben, dass ein Tagesrhythmus viele Vorteile hat und gleichzeitig der Spaß nicht auf der Strecke bleiben muss. Wir können ihnen Zuversicht vermitteln: Es wird wieder gut. Wir können ihnen Stärke vermitteln: Wir machen auch Sport, wenn keiner ihn vorturnt; wir gehen auch raus, wenn keiner das für uns organisiert. Und wir können die Kinder je nach Alter in unseren Tag mehr einbinden, ihnen mehr Verantwortung geben. Das Wichtigste ist, in Kontakt zu bleiben – dann merken wir, was es braucht.
 
Und was brauchen Eltern?
Was braucht ein Homo sapiens? Es ist in der Pandemie nicht anders als sonst: schlafen, gesundes Essen, Bewegung an der frischen Luft, ausreichend Pausen, soziale Kontakte – das geht auch per Telefon. Und gemeinsam draußen spazierenzugehen ist nicht verboten! Und wir brauchen den Mut, „Nein“ zu sagen – zur Arbeit, zur Schule, aber nicht immer zu den Kindern und zu mir selbst. Und ich finde, wir sollten auch viel mehr Unsinn zu machen – für mich wäre das zum Beispiel eine umweltunfreundliche, randvolle heiße Wanne und ein langes Gespräch mit meiner besten Freundin, wenn die Kinder endlich im Bett sind.
 
Stell dir vor, du wärest Politikerin: Was würdest du anders machen?
Wie ich sagte: Unsicherheit ist zermürbend. Ich würde mir wünschen, dass die Politik ihre Pläne langfristiger kommuniziert und mir als Bürgerin zumutet, wirklich zu wissen, was da auf uns zukommt. Mir ist klar, dass das politisch nicht leicht durchzusetzen ist, aber diese Salami-Taktik ist schwer auszuhalten. Ich persönlich würde mich auch sicherer fühlen, wenn es innovativere Konzepte gäbe: Viele Museen sind mit perfekten Lüftungsanlagen ausgestattet, warum schließen sie, statt dass wir den Unterricht dorthin verlegen, wie es in Dänemark gemacht wird? Warum werden unsere Schulen mit digitalem Unterricht so völlig alleine gelassen, statt regelmäßig Best-Practices bundesweit auszutauschen wie in Neuseeland? Das würde mir tatsächlich das Gefühl geben, dass dieses Land nicht hinter der Pandemie herläuft, sondern die Gelegenheit beim Schopf ergreift, wirklich etwas zu lernen. Schönes Beispiel dafür, falls du mal gucken magst: www.bloomberg.com/news/photo-essays/2020-05-22/denmark-s-children-return-to-school-in-museums-and-graveyards
 
Das schaue ich mir auf jeden Fall an, danke dafür und für deine Einschätzung!
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