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Teenager

Hornhaut gehört dazu: Raumausstatter

Text: Hanka Meves-Fricke, Fotos: Sonja Hoffmann · 05.10.2020

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„Ich bügele gern“, sagt Parwiz Ahmadi und zieht das Bügeleisen von der Decke auf den Arbeitstisch. Ich denke an das Wäschepaket, das Zuhause auf mich und mein Bügeleisen wartet. „Wirklich?“, frage ich und unsere Fotografin Sonja Hoffmann zwinkert mir zu.

Parwiz sitzt vor einem Polsterstuhl und näht Rücken und Seitenteil zusammen. Die Nadel ist groß und gebogen. Parwiz ist fast 21 Jahre alt und lernt im dritten Lehrjahr Raumausstatter bei Stefan Schneider. Geduldig näht er Stich für Stich. „Habt ihr keinen Fingerhut zum Schutz?“ Parwiz und Meister Stefan Schneider lachen: „Erst blutet es, dann bildet sich Hornhaut. Das gehört zu unserer Arbeit.“

Von der Pike auf lernen

Parwiz ist mit 16 Jahren aus Kundus in Afghanistan nach Deutschland gekommen. Nach zweieinhalb Jahren an der Hauptschule hat er ein Pflicht- und ein freiwilliges Praktikum bei Stefan Schneider gemacht. Bei einem weiteren Praktikum als Koch hat er vor allem Geschirr gespült. Hier in der Raumausstattung lernt er alle Arbeiten von der Pike auf. Da war ihm klar, dass das sein Platz ist.

„Schon als 12-,13-Jähriger habe ich in meiner Heimat bei einem Polsterer ausgeholfen. Nähen macht mir einfach Spaß.“ Parwiz strahlt. Später hat er im Supermarkt seines Vaters ausgeholfen, den dieser neben seiner Arbeit als Lehrer führte.

Auf der Ausbildungsmesse kennengelernt

Raumausstatter Stefan Schneider hat Parwiz auf einer Ausbildungsmesse getroffen. Der Meister ist im Vorstand der Innung der Polsterer in Köln und setzt sich dort für den Erhalt dieses schönen Handwerks sowie für die Ausbildung im Beruf ein. Die Arbeit ist vielfältig: Ein Raumausstatter gestaltet Räume mit Vorhängen sowie der dazu passenden Dekoration, polstert Sofas und Sessel und verlegt Teppiche. Wegen des Klimawandels ist der Schutz vor Sonne und Insekten besonders im Trend. Und davon gibt es einen breiten Reigen: Plissees, Rollos, Jalousien und Markisen und dies alles in verschiedenen Stoffen, Ausführungen und mit unterschiedlichen Befestigungen. „Die Auswahl der richtigen Stoffe für einen Polsterbezug oder einen Vorhang, das ist nicht einfach“, erklärt Parwiz. „Häufig muss ich in den Beschreibungen nachsehen oder meinen Meister fragen.“  

Spaß am Nähen und der Arbeit mit Stoffen

Sie sind zu dritt in der Werkstatt, zumeist zu zweit am Arbeiten. „Mir gefallen die Arbeitszeiten. Wir fangen hier um 9 Uhr an und arbeiten bis 18 Uhr: Regelmäßige Zeiten, das Wochenende ist frei“, erzählt Parwiz. „Eigentlich gefällt mir alles an der Arbeit: Teppiche verlegen, aufpolstern, Vorhänge nähen. Am meisten macht mir das Nähen Spaß und der Umgang mit den schönen Stoffen.“ Er steht am Bügeleisen, als er das erzählt. „Geduld sollte ein Polsterer haben, denn das Aufarbeiten eines Sofas kann schon einmal eine Woche dauern“, ergänzt er. Körperlich anstrengend ist die Arbeit nicht. Nur beim Transport der Möbel, Rollos etc. muss man mal zupacken können.“

Kein leichtes erstes Jahr

„Das erste Jahr an der Berufsschule war nicht einfach“, fügt er hinzu. „Besonders Deutsch war schwer. Mathematik, Wirtschaft und Politik mag ich hingegen.“ Wenn Kunden anrufen, dann fällt es ihm manchmal noch schwer, den Namen zu verstehen und zu notieren. „Aber die Telefonnummer schreibe ich immer richtig auf.“ Dann schmunzelt Parwiz: „Ich habe mal einen Flug verpasst, weil ich nur eine Minute zu spät war. Das vergisst man nicht. Jetzt bin ich immer pünktlich.“ In der Berufsschule lernen die Auszubildenden die klassischen Techniken des Polsterns und arbeiten viel mit der Hand. In den Werkstätten sind für viele Arbeiten Maschinen eingezogen, was die Arbeit leichter gemacht hat. So kommt es, dass in Parwiz’ Klasse mehr Mädchen als Jungen lernen.

Ein Kundengespräch auf Dari

Nach der Gesellenprüfung würde Parwiz sich gern weiterbilden, vielleicht zum Meister, vielleicht sogar Innenausstattung studieren? Doch jetzt richtet Parwiz erst einmal sein Augenmerk auf die Gesellenprüfung. „Wenn ich daran denke, bin ich heute schon aufgeregt“, sagt er. „Wir sollen für die Prüfung ein Möbelstück polstern und dazu passend den Raum mit Vorhängen, Teppichen und Dekoration gestalten. Dazu erstellen wir ein Kundenprofil. Da beinhaltet, welche Farben und Materialien die Kundin oder der Kunde möchte, welches Budget wir für das Projekt haben und wie wir es umsetzen können.“ Wir spüren, dass er sich Gedanken macht, ob das Kundengespräch gut laufen wird. Meister Stefan Schneider klopft ihm auf die Schulter: „Das schaffst du. Vielleicht kann ja eine afghanische Kundin dein Beispiel sein und du sprichst mit ihr Dari, deine Muttersprache.“ Parwiz schaut skeptisch. Dann erwidert er: „Andere sind vielleicht besser in der Kundenberatung, aber in der Arbeit sind wir gleich gut.“

Sonja und ich sind uns sicher, dass Parwiz die Gesellprüfung mit der Unterstützung seines Meisters schaffen wird. Auch seine Freunde aus der Schule und dem Jugendheim für Geflüchtete werden ihm zur Seite stehen. Dann gehen Sonja und ich nach Hause zu unseren Bügelbergen. Und ich wünschte mir auch ein Bügeleisen, das ich von der Decke herunterziehen kann.

Ausbildung: Raumausstatter*in

Voraussetzung:

  • Kreativität
  • Gespür für Farben und Anordnung
  • handwerkliche Begabung
  • Kraft
  • Spaß am Umgang mit Kunden und verschiedenen Arbeitsplätzen
  • Real- oder Hauptschulabschluss

Einsatzorte:

Polstereibetriebe, Möbelunternehmen, Theater.

Inhalte:

Zur Ausbildung gehören die Deutsch und Kommunikation, Politik und Gesellschaftslehre, Sport und Gesundheitsförderung, Religionslehre sowie Auftrags- und Arbeits-, Herstellungs- und Präsentations- sowie Gestaltungsprozesse und Wirtschafts- und Betriebslehre. Die Ausbildung schließt mit einer Gesellenprüfung ab, in der ein Kundenprofil erstellt und ein Gespräch mit diesem Kunden geführt wird.

Weiterbildungsmöglichkeiten:

Meisterausbildung, Seminare für verschiedene Bereiche, wie Sonnen- und Insektenschutz, Fachhochschulstudium in Innenarchitektur.

Vergütung:

Im 1. Ausbildungsjahr 515 €
Im 2. Ausbildungsjahr 611 €
Im 3. Ausbildungsjahr 695 €

Infos:

www.berufenet.arbeitsagentur.de
www.rrbk.koeln/wp-content/uploads/2020/02/leistungskonzept-AV.pdf

Weitere Ausbildungsberufe findet ihr in unserer Berufe-Check-Übersicht.

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