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Rund ums Baby

Abschied vom kleinen Glück

Anke Neckar · 13.01.2016

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Laut Statistik endet jede dritte Schwangerschaft mit einer Fehlgeburt. Ein Thema, mit dem viel offener umgegegangen werden sollte. Darum veröffentlichen wir hier einen Text von Anke Neckar, in dem sie sehr offen über ihre beiden Fehlgeburten berichtet.

Wir haben uns sehr, sehr, SEHR gefreut, als wir vor etwas mehr als vier Wochen den ersten positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielten. Nicht nur, weil wir uns sehnlichst ein zweites Kind wünschen, sondern auch, weil ich bereits im August diesen Jahres eine Fehlgeburt bzw. einen „natürlichen, sehr frühen Abgang“ in der 5. SSW hatte. Das es so schnell wieder klappen würde, hat uns überrascht, aber natürlich auch mega glücklich gemacht. Meine sicher normale Angst, dass es wieder nicht „halten“ würde, haben wir so gut es ging mit positiven Gedanken erdrückt und fieberten einfach im Team dem Arzttermin entgegen, der uns hoffentlich endlich ein schlagendes Herzchen zeigen würde.

Kein Herzschlag

Der Tag des Termins kam, doch das Bild eines schlagenden Herzchens blieb aus. Wir waren erschüttert. Und als wäre der erneute Verlust unseres Wunschkindes nicht schon schrecklich genug, würde ich diesmal eine Ausschabung brauchen. (An dieser Stelle sei gesagt: Es geht auch anders! Die Natur kann eine Fehlgeburt durchaus auch alleine „regeln“ – es dauert nur länger. Welcher Weg der richtige ist, muss und kann jede Frau für sich selbst entscheiden. Einen wirklich lesenswerten, aber auch sehr traurigen Text dazu findet ihr bei Jana auf dem Hebammenblog.)

Obwohl sie mittlerweile meist ambulant durchgeführt wird, ist eine Ausschabung dennoch eine OP. Mit Vollnarkose, kurzzeitigem Krankenhausaufenthalt und Schonzeit im Anschluss. Hat man noch KEIN Kind, mag das zumindest organisatorisch nicht besonders problematisch klingen. Ist da jedoch – wie bei uns – bereits ein kleiner Zwerg, der wie Kaugummi an der Mama klebt, noch nicht in eine Kita geht und auch sonst nirgendwo „abgegeben“ werden kann, wird die ganze Sache schnell kompliziert.

Mein Kind komplett aus dieser schmerzhaften Situation ausschließen, wollte ich natürlich nicht. Schließlich ist sie ein Teil von mir. Und zu sehen, dass auch die Mama mal weint, gehört zu einem Kinderleben dazu. Aber die Belastung für alle Beteiligten etwas einschränken – das wollte und konnte ich. Einen zweijährigen Wirbelwind stundenlang in Warte- oder Krankenhaus-Zimmern rumsitzen zu lassen, ist eh für niemanden eine Freude – weder für das Kind und die Eltern, noch für andere Patienten oder das medizinisches Personal. Uns blieb also nichts anderes übrig, als uns noch am selben Abend aufzuteilen: Ich ging ins Krankenhaus, um die schreckliche Diagnose „Missed Abortion“ (verhaltener Aport) überprüfen und mich für die OP anmelden zu lassen, und mein Mann fuhr mit unserer Tochter nach Hause.

Kaum Zeit für Trauer

So saß ich alleine im Wartebereich der Ambulanz im Krankenhaus meines Vertrauens und weinte um mein verlorenes Baby. Gleichzeitig fühlte ich mich schlecht, weil ich solch ein Familien-Chaos auslöste. Mein Mann würde frei nehmen müssen, obwohl es gerade diese Woche eigentlich so gar nicht passte, um sich um unsere Mausemaus kümmern zu können, während ich einfach „ausfiel“. (Dieser Gedanke wird vor allem noch-nicht-Mamis völlig bescheuert vorkommen. Aber ich bin absolut sicher, dass sehr viele Mütter genauso empfinden, wenn sie mal krank sind oder anderweitig aus der Bahn geworfen werden.) Natürlich würde es irgendwie gehen, aber es war eine zusätzliche nervliche Belastung, die ich gerade in diesem Moment eigentlich kaum ertragen konnte. Also weinte ich auch deshalb. Insgesamt 2,5 Stunden am Stück. In einem großen Raum vor den Aufzügen, aus denen immer mal wieder Menschen ausstiegen und mir mitleidige Blicke zuwarfen. Himmel, ich kann mich kaum erinnern, wann ich mich zuletzt so elend gefühlt habe.

Als die Ärztin endlich kam, um die Diagnose meiner Gynäkologin zu überprüfen und schon mal die OP mit mir zu besprechen, entschuldigte sie sich für die lange Wartezeit. „Entschuldigen Sie sich nicht“, sagte ich. „Ich habe die Stunden wirklich gebraucht. Mit einer Zweijährigen hat man zu Hause nicht viel Zeit zum Weinen.“ Verstand sie sofort. Auch eine Mutter.

Ein letzter Blick

Sie war wirklich sehr nett zu mir. Aber die Diagnose musste sie dennoch bestätigen. Es bestand eigentlich kein Zweifel. Und trotzdem wollte ich unbedingt, dass ich unmittelbar vor der OP in drei Tagen einen weitern Ultraschall bekäme, um mir wirklich ganz, ganz sicher sein zu können, keinen Fehler zu machen.

Ich rechnete mit Wiederwillen und damit, belächelt oder als nervige Patientin abgestempelt zu werden. Doch es kam nichts dergleichen. Zu keinem Zeitpunkt. Von niemandem in diesem Krankenhaus. Mein Wunsch wurde verständnisvoll entgegengenommen und in großen Buchstaben ganz vorne in meiner Akte eingetragen.

„Herrje, haben Sie Pech gehabt"

In den Tagen der Vorbereitung auf die OP und am Tag selbst bin ich insgesamt vier verschiedenen Ärzten begegnet. Und sie alle reagierten absolut identisch, als sie in meine Akte sahen: „Herrje, haben Sie Pech gehabt! Zwei Fehlgeburten in Folge!? Das ist ja wirklich großes Pech!“ Und jedes Mal schluchzte ich los: „Muss ich mir Sorgen machen? Wird es jetzt immer so sein? Kann ich vielleicht keine Kinder mehr bekommen? Bin ich zu alt? Bin ich krank? Muss oder kann ich irgendetwas tun?“ „Neeeeeeiiiiin! Müssen sie nicht. Sie haben doch bereits ein gesundes Kind! Diese beiden Tiefschläge hier sind wirklich einfach riesen Pech! Mehr nicht. Sie müssen sich keine Sorgen machen. Nicht zu diesem Zeitpunkt.“ Ich sorgte mich aber. Ziemlich sogar. Zweimal hinter einander kam mir extrem viel und schlimm vor.

„Ein echtes Problem ist, dass niemand darüber spricht,“ erklärte mir eine der Ärztinnen. „Dadurch werden Fehlgeburten zu so etwas – verstehen Sie mich nicht falsch – besonderem. Sind sie aber nicht. Sie gehören einfach dazu. Sehr viele Frauen erleben mindestens eine frühe Fehlgeburt auf ihrem Weg zur Mutterschaft. Und selbst nach der Geburt eines gesunden Kindes sind eine, zwei oder sogar drei Fehlgeburten noch kein medizinisches Indiz für angebrachte Sorge. Also: Versuchen Sie es einfach wieder. Es wird schon noch klappen.“ Es tat sehr gut, das zu hören. Ganz abstellen konnte und kann ich meine Ängste deshalb jedoch trotzdem nicht. Und ich gehe stark davon aus, dass ich während einer erneuten, hoffentlich baldigen Schwangerschaft mindesten die ersten drei Monate so ziemlich komplett in einer Art Dauer-Panik-Attacke verbringen werde. Aber dann ist das eben so. Hauptsache, wir bekommen noch eine Chance.

Der Tag der OP

Freitagmorgens, um 7:30 Uhr sollte ich mich pünktlich zur Operation-Vorbereitung im Krankenhaus auf der Station 8 einfinden. Ich fuhr alleine mit einem Taxi hin, damit mein Kind weder extra geweckt werden, noch die Mami weinend verschwinden sehen müsste. Natürlich hätte ich meinen Mann gerne an meiner Seite gehabt … zum Händchen halten und Mut zu sprechen, denn neben der grundsätzlich schon schrecklichen Situation, würde diese OP auch noch die erste in meinem Leben sein. Nichts, was man gerne alleine antritt. Aber die Mausemaus brauchte ihn eben noch etwas mehr als ich.

Ein letzter Blick

Beinahe eine Stunde saß ich im Wartezimmer, bevor eine Schwester mich abholte. Es war voll. Und viele der anderen Wartenden schienen bester Laune, obwohl ihnen ja auch eine ambulante Operation bevorstand. Allerdings waren es – bis auf eine weitere Frau wie mich – ausschließlich HNO- und Orthopädie-Patienten. Vielleicht geht man dann anders in solch einen Tag. Ich für meinen Teil hätte mir jedenfalls für diese Stunde mehr Ruhe und weniger nerv-tötendes Gegacker von fremden Menschen gewünscht.

Und dann – kurz bevor es doch endlich so richtig losgehen sollte – kam der Moment, den ich mir erbeten hatte: Ich durfte einen letzten Blick auf mein Krümelchen werfen. In einem abgedunkelten Raum. Mit einem mega hochauflösenden Ultraschallgerät. Die Fachärztin zoomte so nah ran wie möglich, vermaß das winzige Gummibärchen noch einmal, erklärte mir mit ruhiger, freundlicher Stimme, dass es vom Entwicklungsstand maximal in der 6. SSW einzuordnen wäre, obwohl ich mich ja bereits in der 9. SSW befände. Und sie zeigte mir das Wichtigste: Es gab keinerlei Bewegung und definitiv keinen Herzschlag. So war ich mir in all meiner Trauer wenigstens absolut sicher, dass TATSÄCHLICH kein Leben mehr in mir wuchs. Ich war bereit für die OP.

Danach ging alles sehr zügig „über die Bühne“. Ich wurde in den OP gefahren, bekam meine Narkose, wurde nach kurzer Zeit wieder geweckt, in den Aufwachraum geschoben und wartete dort ca. eine dreiviertel Stunde, bis man mich zurück auf die Station brachte. Ich weiß noch, dass ich mich beinahe langweilte, weil ich direkt wieder topfit war, aber weder einen Gesprächspartner, noch ein Handy zum Spielen oder ein brabbelndes Kind am Bein hatte. So etwas ist man als Mutter ja gar nicht mehr gewöhnt. So schlich sich schnell die Angst ein, wie ich wohl die nächsten drei Stunden, die ich noch im Krankenhaus zur Beobachtung bleiben sollte, verbringen würde. Ich rechnete damit, in ein Loch zu fallen und einfach durchzuheulen, während ich alleine in einem leeren Zimmer darauf warten müsste, dass mein Mann und mein Kind mich endlich nach Hause holen dürften.

Licht im Dunkeln

Dem war aber nicht so. Denn auf dem Zimmer, in das ich kam, lag bereits die andere Frau, die sich heute dieser psychisch deutlich mehr als physisch belastenden OP unterzogen hatte. Als ihr Mann kurz das Zimmer verließ, sprach sie mich an, weil sie – gezwungenermaßen – meinem Telefonat mit einer Freundin entnommen hatte, dass wir das gleiche Schicksal teilten. Und schwupps, waren wir in einer ganz anderen, eigentlich völlig skurrilen, aber irgendwie befreienden Situation: Wir sprachen mit jemanden, der gerade exakt in der selben Lage war, der den selben Schmerz erfuhr, die selbe Angst spürte und den selben Wunsch nach neuer Hoffnung hegte. Das hat mir bzw. uns beiden den Tag gerettet!

Wir redeten zwei Stunden. Wir redeten über unsere kurzen Schwangerschaften, die niederschmetternden Diagnosen, sprachen einander Mut zu, schmiedeten sogar positive Pläne für die nächsten Wochen … und tauschten natürlich sofort die Telefonnummern aus, um uns auch weiterhin gegenseitig auf dem Weg zurück in den Alltag und – wenn möglich – in eine neue, dann bitte glücklicher endende Schwangerschaft zu unterstützen. Wir lachten sogar miteinander. Es war, wie gesagt, total skurril – aber so viel besser, als allein in ein Krankenhauskissen zu weinen.

Als mein Mann mich abholte, sah die Welt schon gar nicht mehr so finster aus, wie sie sich noch am Morgen gezeigt hatte. Wir würden es wieder versuchen. Und dann würde es klappen. Da war ich mir sicher. Da BIN ich mir sicher.

Es war ein kleines Glück!

Obwohl es unser Krümelchen nicht geschafft hat, versuche ich diese kurze Schwangerschaft dennoch als Glück zu betrachten. Ich kann (immernoch) schwanger werden. Das ist doch schon mal was. Denn wenn man bedenkt, wie kompliziert der „Vorgang“ des schwanger werden’s grundsätzlich schon ist, dann muss man doch eigentlich wirklich selbst die kürzesten Schwangerschaften als Glück werten. Ein KLEINES Glück nur, aber das ist ja nun mal schon deutlich besser als gar kein Glück.

Außerdem hilft mir ein Gedanke, den ich vor wenigen Wochen irgendwo gelesen habe: Das manche Kinder mehr als einen Anlauf brauchen, um ins Leben zu gelangen. Demnach habe ich in den letzten Tagen vielleicht gar nichts unwiederbringlich verloren. Ich muss einfach nur noch etwas länger warten, bis unser Krümelchen RICHTIG bei mir bzw. bei uns einzieht. Mir hilft dieser Gedanke sehr. Ebenso natürlich mein Kind, meine kleine Madam, die mir kaum Zeit zum Trauern lässt, weil sie lieber mit mir lachen und tanzen will. Ich bin eben schon eine Mama. Ganz egal was noch kommt. Ich habe das große Glück, bereits ein Kind zu haben!

Ich bin nicht allein - wir sind so viele!

Und nicht zuletzt helfen mir bei der Verarbeitung der letzten Tage, all die vielen Leidensgenossinnen, die sich bei mir gemeldet haben, nachdem ich meinen Verlust auf Facebook öffentlich gemacht habe. Wahnsinn, wie vielen Frauen das passiert. Wie viele eine Fehlgeburt erleiden. Oder mehrere. Wie viele um ihr Mutterglück so irre hart kämpfen müssen, Ängste überwinden und so wahnsinnig mutig und tapfer immer weiter machen. Ganz egal, ob es sich bei den verlorenen Wunschkindern um das erste, zweite, dritte oder fünfzehnte handelt – der Schmerz ist jedes Mal der Selbe.

Genauso wie die Kraft, die es braucht, wieder aufzustehen und nach vorne zu sehen. Ich spreche euch meinen Respekt aus, ihr Mamis da draußen, die ihr diese Situation meistern musstet und es geschafft habt. Und genauso wie ihr, werde auch ich wieder in den Sattel steigen, es erneut versuchen und mit ganzem Herzen hoffen, dass unser Krümelchen beim nächsten Anlauf mehr Schwung nimmt und endlich bei uns bleibt.

 

Anke Neckar schreibt den Blog „Lächeln und Winken - Der ehrliche Familienblog aus Köln". Vielen Dank dafür, dass wir den Text übernehmen konnten!

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