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Familienleben

Im Feuerwehrauto um die Welt – Auszeit mit der Familie

Josephine Hepperle · 14.06.2022

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Familie Neuschulz in Bonneville Salt Flats USA, Utah © Avishag Shaar-Yashuv

Familie Neuschulz in Bonneville Salt Flats USA, Utah © Avishag Shaar-Yashuv

Einfach alles hinter sich lassen. Kind und Kegel im feuerroten Kurzhauber verstaut und los geht die Reise ins Abenteuer ihres Lebens. Julia, Johannes, Greta, Franz und Käthe Neuschulz haben sich das wertvollste Geschenk gemacht: Gemeinsam eine unvergessliche Familienzeit auf dieser Welt erleben. Ihre Begleiterin, ihr Fortbewegungsmittel und Zufluchtsort ist ihr 50 Jahre altes Feuerwehrauto, das sie liebevoll Feuerwehr nennen. Wir haben mit der Abenteuerfamilie aus Köln gesprochen, als sie von ihrer Auszeit vom Alltag nach 8 ½ Monaten zurückkehrte.


„Wir haben von allen Seiten gehört: Es geht nicht. Es gäbe zu viele Probleme mit der Krankenversicherung, den Banken, Mietverträgen, der Schule. Und da haben wir uns gedacht: Doch, das ist jetzt unsere neue Priorität“, beschreibt Johannes Neuschulz den Entschluss, den Traum von der großen Familienreise in die Tat umzusetzen. Nach 1 ½ Jahren Vorbereitung, Auto suchen, finden und gemeinsam umbauen, Verträgen kündigen, Familienauto verkaufen, Wohnung untervermieten, sich von materiellen Dingen trennen, ging es für die Fünf im Juli 2021, mitten in der Corona-Pandemie, in ihrer Feuerwehr aus dem fest getakteten Alltag im Veedel zu unbekannten Orten auf dieser Welt. Startpunkt Braunsfeld, von da aus über die Dominikanische Republik in die USA und schließlich nach Mexico.

Raus aus dem Alltag


Aqua Verde, Baja California Sur, Mexico © Familie Neuschulz

Im Alltag bewegen sich die beiden Praxisinhabenden im Drahtseilakt als Selbstständige und Eltern. Ihre Kinder Greta (9) und Franz (8) gehen in die Grundschule und Käthe (5) in die Kita. Als Julia und Johannes beim Weihnachtsessen 2019 erneut der Gedanke kam „wir schaffen es immer nicht mehr gemeinsame Zeit zu gestalten. Zeit als Familie.“ inspirierte sie der Satz einer Frau am Nebentisch: „Man muss es einfach machen – Make it happen.“ Obwohl diese Aussage in einem anderen Kontext fiel, wussten die Braunsfelder: „Wir machen das. Und wenn wir das machen wollen, dann müssen wir die Schule fragen, vorher brauchen wir nicht weiter darüber nachdenken.“

Die Sache mit der Schule

Zuerst ging es ins Gespräch mit der Kita-Betreuung. „Da hatten wir das Glück, weil Käthe das dritte Kind in dieser Kita ist, bedarf es nach einer gewissen Zeit keinen Elternbeitrag mehr. Somit konnten wir die Stelle aufrechterhalten und haben letztendlich von der Kita grünes Licht bekommen, dass sie nach der Reise wieder zurückkonnte“, berichtet Johannes.

Nach einer hoffnungslosen Recherche im Internet ging es ohne Infos mit vielen Fragen zur Schule. „In der Grundschulzeit entscheidet die jeweilige Grundschule und Grundschulleitung. Und bei der weiterführenden Schule entscheidet, glaube ich, das Land. Da wird es sicherlich schwieriger. Wir haben unterwegs aber auch Familien getroffen mit Kindern in weiterführenden Schulen. Also auch da gibt es Möglichkeiten. Erstmal muss sie es prinzipiell erlauben.“, beschreibt Julia die ersten Schritte, um die Situation mit der Schule zu klären.


San Carlos, Magdalena Bay, Baja California, Mexico © Familie Neuschulz

Wenn die prinzipielle Erlaubnis erfolgt ist, steht man vor zwei Möglichkeiten. Entweder kann das Kind von der Schule beurlaubt werden und nach der Zeit zurück in dieselbe Klasse gehen oder nach der Rückkehr wird das Schuljahr wiederholt. Diese zwei Entscheidungsmöglichkeiten müssen individuell berücksichtigt werden. Familie Neuschulz entschied sich für Zweites. Für die älteste Tochter hätten sich unter anderem Schwierigkeiten aufgetan, da die Bewerbungen für die weiterführende Schule mit dem ersten Halbjahreszeugnis der 4. Klasse erfolgen – „Das hätte sie gar nicht gehabt“, führt die Familie aus. Dem Mittleren wollten sie das Gefühl der Einschulung nicht nehmen, weswegen sie sich für die Einschulung entschieden, aber ebenfalls die Möglichkeit der Beurlaubung in diesem Fall nicht wählten.

Sie bekamen die Genehmigung von der Schule und damit war klar: Der Auszeit als Familie steht nichts mehr im Wege. Na gut, die ein oder andere Hürde und Unklarheit entwickelte sich im Verlauf der Reisevorbereitungen, aber gemeinsam als Familie schafften sie es die vielen Etappen zu meistern.

Die Chance frei zu sein

Für die beiden Eltern stand im Vordergrund, ihren Kindern die Chance zu geben frei zu sein. „Für die Kinder ist es ein Jahr geschenkte Kindheit. In der Zeit unserer Reise haben sie viel anderes gelernt und erlebt: Sie sind mit Delfinen geschwommen, haben einen Grizzly Bear beim Überqueren der Straße gesehen, haben Pyramiden angeschaut, sie sprechen auf einmal ein bisschen Spanisch, besser Englisch.“, ergänzt Johannes.

Ohne konkrete Reiseroute zog es die Familie jeden Tag an neue unbekannte Orte. Diese völlige Losgelöstheit entfachte das Gefühl, frei zu sein. Die Jüngste der Neuschulz wachte jeden Morgen ganz verschlafen mit den Worten auf: „Wo stehen wir heute? Wo sind wir heute?“. Das waren die ganz besonderen Augenblicke, in denen das Abenteuer spürbar war.

Die Uhrzeit spielte auf einmal keine Rolle mehr. Wo es zu Hause noch hieß, da ein Termin in der Praxis, hier die Kids zum Sport fahren und abends noch gemeinsam Abendessen, freuten sie sich über diese kleinen Momente, „wo man plötzlich vor einem Laden steht und sich wundert, dass es Sonntag und der Laden geschlossen ist. Das sind die schönen Momente, wo man denkt, ach herrlich.“


Rein ins Abenteuer


Aqua Verde, Baja California Sur, Mexico © Familie Neuschulz

Von der Auszeit zum Lernen als Familie

Für Julia und Johannes war vor allem eins wichtig: Zeit als Familie zu haben, fernab vom Alltagstrubel. Sie wollten sich, ihre Kinder und ihr Konzept als Familie „nochmal ganz anders wahrnehmen“. Ihre Perspektive hat sich nicht nur durch die Reise in ferne Orte geschärft und verändert. Maßgeblich war die freie Zeit, die sie losgelöst von Schule, Arbeit und täglichen Aufgaben plötzlich hatten. Käthe, Franz und Greta haben ihren Eltern die Faszination für die kleinen, unscheinbaren Dinge nähergebracht. „Man sah die Welt dadurch wieder mehr durch Kinderaugen. Man war wieder mehr im Moment.“, blickt Johannes zurück. Eine Muschel ist nun nicht mehr eine Muschel von vielen, sie ist einzigartig, anders als alle anderen, die an unendlichen Stränden, und Meeresufern ruht.


links: Monument Valley, Utah, USA; rechts: Higüey, Dominikanische Republik © Familie Neuschulz

Julia empfand diese Rückführung auf die kleinen Momente besonders eindrücklich: „Wir wurden von unseren Kindern so mitgerissen. Während sie hier in der Schule funktionieren müssen, überall nur mit Maske hindürfen, sehr viel im Homeschooling lernen, sind sie raus in die Natur und waren frei, und kamen mit Muscheln, Steinen und Schildkrötenköpfen und voller Begeisterung an. Und man ist selbst so angesteckt worden.“

Auf die Frage, wie es als Familie auf so engem Raum gelingt, ohne dass der große Streit losbricht, kommen die beiden ins Schmunzeln. „Das ist eine Frage, die bei uns im Vorfeld ebenfalls aufkam. Aber dadurch, dass die Alltagsstresssituationen nicht mehr da waren, dafür neue Reize und ganz neue Gefühle, war es gar kein Problem.“ Die Feuerwehr war vielmehr ihr Rückzugsort zum Schlafen und ihr Transportmittel, um den nächsten Strand, Berg oder Wasserfall zu erreichen. „Dadurch, dass man für alles mehr Zeit hatte, war man auch belastbarer. Es gab ganz normale Streitigkeiten, aber nichts Großes. Wir haben uns vielmehr gestärkt und die unglaublich beeindruckenden Seiten unserer Kinder neu entdeckt.“

Von anfänglichen Bedenken zu wertvollen Bekanntschaften

Als die Entscheidung zu treffen war, wohin es sie als nächstes führt, standen sie gedanklich zwischen Canada und Mexico. Der ausschlaggebende Faktor war schlussendlich das Wetter. Das sonnige und warme Mexico lockte die Abenteuerfamilie magisch an. Natürlich schlichen sich auch an der einen oder anderen Stelle Bedenken ein. Mit großem Respekt und einigen Ängsten im Gepäck ging es von den USA immer weiter südlich. Endlich angekommen, verwandelten sich die Sorgen in herzliche Gastfreundschaft, die Bedenken in unglaubliche Orte und die Ungewissheit in bedeutungsvolle Momente.


Franz, Käthe und Greta im Arches National Park, Utah, USA © Avishag Shaar-Yashuv

Die Befürchtung, den Nachwuchs durch die räumliche Distanz von ihren Freundschaften zu entrücken, bestätigte sich glücklicherweise nicht. Wieder zu Hause angekommen klingelte es schon an der Tür mit sehnlichst wartenden Freund:innen und Spielanfragen, bevor das erste Gepäckstück den heimischen Boden berührte. Auch während der Reise knüpften Käthe, Franz und Greta schnell Kontakte. „Ich würde auch in Amerika, auch in Mexico zur Schule gehen.“, sprudelten sie los, als der Tag der Rückkehr immer näherkam. „Die Ältere hat ein unglaubliches Selbstbewusstsein entwickelt. Sie ist mit fremden Kindern rumgelaufen, sie haben zusammengespielt, obwohl sie nicht die gleiche Sprache gesprochen haben. Sie fanden eine eigene Form, miteinander zu kommunizieren“, führt Julia aus. Gleichzeitig ist bei den dreien der Wille herangereift: „Ich will jetzt richtig gut Englisch sprechen können, um mit meinen neuen Freunden zu sprechen.“


Tipps und Tricks für die Reiseplanung als Familie

Hinter der Auszeit als Familie steckt eine intensive Vorbereitung. Zwar hat Familie Neuschulz sich während der Reise einfach treiben lassen und ist den Tipps von anderen Reisenden oder Einheimischen gefolgt, aber bevor der Motor zum ersten Mal aufheulte und es Richtung Abenteuer ging, gab es das ein oder andere zu klären.

Tricks für die Organisation im Vorfeld

Neben der Schul- und Arbeitssituationen wurde der gesamte Alltag geprüft, um herauszufinden, welche Kosten, Verträge, Verpflichtungen nebenherlaufen. Jeder Brief, der eintrudelte, wurde genau unter die Fragelupe genommen: „Brauchen wir das? Kündigen? Wegschmeißen?“ Mit jedem Griff in den Kühlschrank stellten sich diese Fragen, sie warteten auf einem Zettel gut sichtbar an der Kühlschranktür befestigt. Spielsachen, Bücher, Materielles wurden verschenkt, verkauft, weitergegeben. Die Wohnung wurde mit jedem Tag immer leerer.


links: Grand Teton, Wyoming, USA; rechts: Bonneville Salt Flats, Utah, USA © Familie Neuschulz

Statt bunter Mustertapete zierten plötzlich riesige IKEA Papierplakate die Wohnzimmerwand. In großen Lettern warteten die Rubriken „Schule“ oder „Steuerberater“ darauf, mit neuen Infos, Fragen oder Möglichkeiten auf dem Flip-Chart strukturiert zu werden. Die Familie kämpfte sich Schritt für Schritt durch die unzähligen Mind-Maps und Cluster. Zwischendurch überrollte sie der Gedanke „Wie sollen wir das Schaffen? Es kommt immer etwas Neues. Immer etwas Unerwartetes.“

Die tiefsitzende Sehnsucht, das Fernweh hielt ihre Motivation lebendig. Bis zu den letzten Wochen blieb es eine organisatorische Herausforderung. Der Abreisetag stand fest, die Reisedestination noch nicht. Die Planung „war ganz dynamisch“. Das A und O bildete die unermüdliche Motivation, ihren Traum von der Auszeit als Familie umzusetzen.

Tipps für die Finanzierung & Reiseart

Bei der Frage nach den Möglichkeiten der Finanzierung ist sofort klar: „Die Reise passt sich dem Budget an.“ Unterwegs hat die junge Familie die unterschiedlichsten Formen zu Reisen kennengelernt, auch wie es als Familie funktionieren kann. Sie kamen ins Gespräch mit vielen Familien aus Frankreich, „da waren so viele unterwegs, auch weil bei ihnen Homeschooling erlaubt ist.“ Einige Langzeitreisende nutzten das Fahrrad, öffentliche Verkehrsmittel oder wanderten. Oft hängt die Summe der Kosten mit dem Reiseziel zusammen. „Einige Länder sind teurer zu bereisen, da man dort nur auf Camping-Plätzen stehen darf. Aber wenn man freistehen kann, fällt dieser Punkt weg.“ Außerdem gibt es die Option auf dem Parkplatz von Privatpersonen zu stehen.

Zentral für die Finanzierung ist, die Kosten zu Hause zu senken. Die Wohnung kann untervermietet oder gekündigt, Kredite und Verträge eingestellt werden. Hier gilt es zu prüfen, was brauchen wir davon wirklich. Ein ausgeklügelter Sparplan muss eingeführt und vor allem eingehalten werden.

Wenn es mit dem eigenen Auto, Camper oder Van Richtung Auszeit gehen soll, kommen neben Benzinkosten ebenfalls eine mögliche Verschiffung des mobilen Unterschlupfs und eventuelle Reparaturkosten hinzu. Das Transportmittel kann geliehen oder gekauft werden. In den USA ist es beispielsweise auch möglich, ein Auto oder Van von dem einen in den anderen Ort zu fahren, ohne die Kosten für das Auto tragen zu müssen.

Manche reisten von Unterkunft zu Unterkunft als „Homesitter“ oder auch „Haushüter“ genannt. Dabei betreut man die Anwesen von Privatpersonen oder Familien, während die Besitzer:innen verreist oder abwesend sind. Mögliche Aufgaben wie Tiere oder Pflanzen versorgen, können für die Homesitter dabei anfallen.


links: El Cayuco, Baja California, Mexico; rechts: La Romana, Dominikianische Republik © Familie Neuschulz

Eine andere Möglichkeit ist, auf Farmen mitanzupacken, um im Gegenzug kostenfrei zu wohnen und zu übernachten. Eine Anlaufstelle ist beispielsweise die Plattfom „WWOOF“. Bei der Bewegung „World Wide Opportunities on Organic Farms“ helfen Besucher:innen die Hälfte des Tages bei der ökologischen Landwirtschaft mit. Das Projekt ist weltweit vernetzt. Wer nicht den Raum hat auf einem Hof in Nepal oder Uruguay aktiv zu werden, kann als Familie auch deutsche Hofluftschnuppern. Bei WWOOF Germany geht es dann beispielsweise nach Pittenhart, nahe des Chiemsees auf eine Familienfarm oder in die nordfriesische Marsch an eine Bioland-Gärtnerei, einen Katzensprung von der Nordsee entfernt.

Bei der Reiseplanung, Umsetzung und Finanzierung als Familie gilt: „kreativ sein und Lösungen suchen.“ Es gibt Apps und Seiten, wo genau das angeboten wird, was man sucht. Es ist zeitintensiv, erfordert eine gewisse Grundorganisation und man muss am Ball bleiben. Aber die Auszeit als Familie lohnt sich. Julia und Johannes stellen fest, dass „eine Lehre der Reise in vielen Dingen war, dass wenn man es einfach probiert, sich vieles regelt. Die Zeit ist jetzt. Niemand weiß, was alles noch kommen kann. Manches muss eine gewisse Vorlaufzeit haben, aber im Grunde ist doch die Frage: Was gibt’s zu verlieren?“

Mehr Eindrücke von der ganz besonderen Auszeit als Familie findet ihr auf dem Instagram-Account @old_german_fire_truck von Familie Neuschulz.

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