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Familienleben

Der Anwalt des Kindes

Hannah Süsterhenn · 19.03.2018

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Vor Gericht brauchen Kinder Unterstützung. Diesen Job übernimmt ein Verfahrensbeistand.

Wenn Eltern wegen ihrer Kinder vor Gericht ziehen kann es mitunter richtig hässlich werden. Anfeindungen, Drohungen, Beschimpfungen: Das volle Programm. Beide Seiten wollen das Beste für ihr Kind, finden aber keine Übereinstimmung mehr. Jeder glaubt, dass seine Lösung die richtige ist. Aber was will das Kind? Und was ist eigentlich das Beste für das Kind? Damit diese Fragen nicht in den Hintergrund gerückt werden, gibt es beim Familiengericht jemanden, der sich genau dafür einsetzt: Der Verfahrensbeistand. Er ergreift Partei für das Kind, setzt sich für den Willen und die Bedürfnisse des Kindes ein und unterstützt es vor Gericht.

Wie arbeitet der Verfahrensbeistand?

Nach §158 FamFG muss das Gericht einen geeigneten Verfahrensbeistand für minderjährige Kinder bestellen, sofern das Verfahren seine Person betrifft und seine Interessen vertreten werden müssen. Dies ist z.B. der Fall, wenn Elternteilen wegen Kindeswohlgefährdung das Sorgerecht entzogen werden soll oder z.B. nach Trennung der Eltern, wenn die Eltern die Interessen ihrer Kinder unterschiedlich interpretieren, um nur einige zu nennen.

Ob ein Verfahrensbeistand für das Kind bestellt wird, entscheidet der jeweilige Richter oder die Richterin. Er oder sie wählt einen geeigneten Verfahrensbeistand und teilt ihn dem Kind zu. Es folgen Gespräche mit dem Kind, den Eltern und eventuell sogar Lehrern, Erziehern oder dem Trainer vom Fußballverein. So macht der Verfahrensbeistand sich ein Bild von der Situation des Kindes, stellt fest, in welchem Spannungsfeld es sich bewegt, ermittelt seinen Willen, seine Bedürfnisse und Wünsche und gibt die Informationen und eine Empfehlung für das weitere Vorgehen an den Richter weiter. Der Verfahrensbeistand ist zwar vor allem als „Anwalt des Kindes“ in das Verfahren eingebunden, hat aber auch die Aufgabe, am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung mitzuwirken. In diesem Fällen kann er gemeinsame Elterngespräche führen, die manchmal eine erste Annäherung oder den Grundstein für einen Kompromiss legen.

Keine spezielle Ausbildung notwendig

Um sich als Verfahrensbeistand bei Gericht zu bewerben, braucht er noch keine spezielle Ausbildung. Es obliegt dem Gericht, einen für das Kind geeigneten Verfahrensbeistand auszusuchen. Die meisten Verfahrensbeistände, die vom Gericht bestellt werden, haben einen juristischen oder psycho-sozialen beruflichen Hintergrund oder haben sich über spezielle Seminare und Kurse auf die Arbeit als Verfahrensbeistand vorbereitet. Mitglieder des Bundesverbandes für Verfahrensbeistände, Ergänzungspfleger und Berufsvormünder verpflichten sich, die dort entwickelten Standards zur Qualitätssicherung umzusetzen. Der Bundesverband setzt sich ebenfalls in der Politik dafür ein, dass Verfahrensbeistände über die erforderlichen Qualifikationen und Eignung verfügen, die rechtlich verbindlich sein sollen.

 

Interview mit Stefanie Schöneberger

Einen ganz persönlichen Einblick in die Arbeit eines Verfahrensbeistandes hat uns Stefanie Schöneberger ermöglicht. Sie ist Mitglied des Berufsverbandes der Verfahrensbeistände und ist in Köln als Diplom-Sozialarbeiterin, Erzieherin, Familientherapeutin, Mediatorin und vor allem, zertifizierter Verfahrensbeistand tätig. Über die Arbeit, die sie für das Familiengericht leistet, hat sie mit KÄNGURU gesprochen.

Frau Schöneberger, worum geht es für Sie bei der Arbeit als Verfahrensbeistand? Wann ist ein Fall ein Erfolg?

Ein gerichtliches Verfahren bedeutet für alle Beteiligten eine große Belastung. Besonders die Kinder leiden unter dem Streit der Eltern. Viele haben Sorge, sich gegen ein Elternteil entscheiden zu müssen. Ich sehe meine Aufgabe darin, den Kindern zuzuhören mit dem Ziel ihre Sicht auf die familiäre Situation zu verstehen und diese Sichtweise dem Richter, aber auch den Eltern transparent zu machen. Ich erkläre ihnen auch den Verfahrensverlauf, die Streitpunkte kindgerecht und versuche ihnen den Druck zu nehmen, für Entscheidungen verantwortlich zu sein. Mir geht es darum, dass es Kindern nach dem Verfahren besser geht als vorher, dass Entscheidungen hilfreich und konfliktreduzierend sind. Das würde ich ein gutes Ergebnis nennen. Wenn Eltern es schaffen, sich anzunähern und in irgendeiner Weise einen Kompromiss finden, der die Eltern befriedet, dann würde ich von einem Erfolg sprechen.

Sie sind auch als Mediatorin tätig, arbeiten also auch an dieser „Annäherung“ der Eltern. Sind die Eltern da kooperativ? In Foren wie urbia, Vaterlos oder Mütterlobby liest man viel Schlechtes von Eltern über Verfahrensbeistände. Kriegt man das mit und funktioniert die Kommunikation trotzdem?

Die meisten Eltern sind sehr kooperativ. Ich lade sie immer zu einem Erstgespräch ein, was sie gerne nutzen, um ihre Sichtweise der Situation zu schildern. Manchmal ergibt sich dann schon eine erste Annäherung. Je nach Art des Verfahrens kann es aber auch schwierig werden. Für Eltern steht viel auf dem Spiel. Wenn sie merken, dass sie mit ihren Lösungs- und Handlungsideen, die sie für ihr Kind am besten finden, nicht überzeugen können, werden sie wütend oder traurig. Sie fühlen sich als „Verlierer“, stellen das Rechtssystem in Frage oder die Fachlichkeit des Jugendamtes, des Gutachters oder auch des Verfahrensbeistandes. Sie suchen einen „Sündenbock“, d.h. eine Person, die für die „Fehlentscheidung“, die aus ihrer Sicht getroffen wurde, verantwortlich ist. Das erklärt auch die fiesen Posts in den Foren. Diese Foren werden in der Regel für Klagen genutzt. Zufriedene Eltern haben meistens nicht das Bedürfnis, sich der Öffentlichkeit mitzuteilen. Ich schaue mir diese Internetseiten nicht an. Ich vertrete die Interessen des Kindes und daraus resultieren Handlungsvorschläge, die zusammen mit den Kindern erarbeitet wurden. Diese Vorschläge dienen als Diskussionsgrundlage, ähnlich wie die anwaltlichen Schriftsätze der Anwälte. Entscheiden muss das Gericht. Mir geht es um eine gute Lösung für das Kind.

Wenn Eltern sich trennen, baut sich ein enormes Spannungsfeld in der Familie auf. Kann man als Verfahrensbeistand überhaupt noch etwas ausrichten, wenn die Trennung so schlimm wird, dass die Eltern schon vor Gericht ziehen?

Der Weg zum Gericht wird meist von den Eltern gewählt, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Das Kind ist diesem familiären Spannungsfeld fast immer über einen langen Zeitraum ausgesetzt. Oft höre ich von Eltern, dass sie nicht vor dem Kind streiten und die Kinder nicht viel mitbekommen. Im Gespräch mit den Kindern hört sich das ganz anders an. Die Kinder spüren die Spannungen zwischen den Eltern, achten auf Gestik und Mimik oder auch auf die Stimmlage. Sie sind wachsam und lauschen mit Ohren wie Rhabarberblätter auf alles, was sie betrifft. Kinder können auf ihre Art sehr gut ausdrücken, was sie wollen und was sie brauchen. Wichtig ist, dass ihnen jemand zuhört, der nicht in den Konflikt verwickelt ist. Der Verfahrensbestand gibt den Kindern eine Stimme und er ergreift Partei für sie. Er macht das Kind vom Objekt zum Subjekt im Verfahren. Das Grundziel ist immer die Herstellung von Harmonie. Oft sagen Kinder bei ihren Eltern unterschiedliche Dinge. Sie wollen ihre Eltern nicht enttäuschen oder verletzen. Wir nennen das „Loyalitätskonflikt“. Erkennen Eltern die Not ihrer Kinder, sind Vereinbarungen jederzeit möglich.

Gibt es etwas, dass Sie in Ihrer Arbeit einschränkt oder behindert? Würden Sie es gerne ändern?

Der Gesetzgeber vertritt mit dem §158 FamFG die Absicht, dass die Kinder in jedem Gerichtsverfahren einen Anspruch auf einen Verfahrensbeistand haben, der so früh wie möglich zu bestellen ist. Nur mit einer besonderen Begründung soll davon abgesehen werden. Aus Kostengründen ist dies leider nicht so umsetzbar, denn der Großteil der familiengerichtlichen Verfahren, d.h. auch die Kosten für Gutachter oder Verfahrensbeistände, werden über Verfahrenskostenhilfe, also von öffentlicher Hand, finanziert. Es wäre trotzdem toll, wenn Verfahrensbeistände mehr bestellt würden. Es kann passieren, dass schon Verfahren gelaufen sind, bevor wir hinzugezogen werden. Dann ist es meist viel schwerer, eine Annährung der Eltern zu erreichen. Darüber hinaus ist der Aufbau einer Vertrauensbasis zum Kind deutlich schwerer. Viele Kinder sind verunsichert, sind in ihren Äußerungen vorsichtiger. Manche glauben, dass ihre bisherigen Aussagen falsch waren, weil der Streit nicht aufgehört hat. Schuldgefühle sind leider oft die Folge. Eltern können in ihren Schriftsätzen anregen, dass ein Verfahrensbeistand bestellt werden soll.

Vielen Dank für das Gespräch!

Infos

Weitere Informationen zum Thema Verfahrensbeistände sowie Flyer für Kinder und Jugendliche bietet der Berufsverband der Verfahrensbeistände e.V. an. Auf der Internetseite des BVEB e.V. gibt es außerdem eine Liste mit Verfahrensbeiständen in Deutschland, die Mitglieder im Verband sind.

Mit Kindern reden

Die Kölner Autorin Beryth Hardt hat ein Buch für Kinder zum Thema „Verfahrensbeistand" geschrieben. Darin erklärt sie kindgerecht und einfühlsam, was es mit dem Beistand vor Gericht auf sich hat. Beryth Hardt weiß, wovon sie schreibt, denn sie ist selber als Verfahrensbeistand tätig. Interessierte Einrichtungen können Sie für Vorträge zum Thema buchen.

Das System Familiengericht und Verfahrensbeistand erklärt für Kinder:

Ich steh an deiner Seite

Ich steh’ an deiner Seite – Als Verfahrensbeistand bei Familiensachen/-angelegenheiten vor Gericht

Beryth Hardt
60 Seiten, 12,95 Euro

Zahlen

Bei 96 Prozent der Scheidungsverfahren, in die minderjährige Kinder involviert sind, behalten beide Elternteile das Sorgerecht.

2013 wurde in „nur“ 2.808 Verfahren das Sorgerecht auf nur ein Elternteil übertragen. In fast drei Viertel der Verfahren ging das Sorgerecht dabei an die Mutter.

Im Jahr 2016 wurden in Deutschland 162.397 Ehen geschieden, das waren knapp 1.000 bzw. 0,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Den Scheidungen ging in den meisten Fällen eine vorherige Trennungszeit der Partner von einem Jahr voraus.

Gut die Hälfte der 2016 geschiedenen Ehepaare hatte minderjährige Kinder und von diesen wiederum 52,4 Prozent nur ein minderjähriges Kind. Insgesamt waren von der Scheidung ihrer Eltern im Jahr 2016 knapp 132.000 Kinder unter 18 Jahren betroffen.

Quelle: Statistisches Bundesamt

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