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Bildung

Immer Stress mit den Hausaufgaben

Janina Mogendorf · 17.07.2020

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© AdobeStock

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Wie Mütter und Väter ihre Kinder dabei unterstützen können – und was sie besser sein lassen.

Der 13. August 2020 ist ein Termin, der für viele Familien in Nordrhein-Westfalen dick im Kalender angestrichen ist. Denn an diesem Tag werden die neuen Erstklässler eingeschult. Wie genau er in Zeiten von Corona aussehen wird und wie sich der Unterricht für die I-Dötzchen im neuen Schuljahr gestaltet, können wir jetzt noch nicht wissen. Aber sicher ist: Die Einschulung markiert eine große Veränderung im Leben der Kinder, vielleicht sogar die größte.

Vom Ernst des Lebens ist die Rede, von neuen Freunden und tollen Dingen, die sie lernen werden. Fast alle Kinder warten daher mit gespannter Vorfreude auf ihren großen Tag. Wie sehr der Wechsel vom Kindergarten in die Grundschule den Alltag verändert, erleben Familien dann im Laufe der ersten Wochen und Monate. Schule gibt einen ganz anderen Rhythmus vor, als man es bis dahin gewöhnt war und das bezieht sich nicht nur auf Urlaube in der Haupt- oder Nebensaison.

Plötzlich gelten andere Regeln

Der Schule ist nicht egal, ob man um acht oder um halb neun durch den Eingang kommt und wie lange man bleibt. Sie hat einen konkreten Bildungsauftrag, einen noch konkreteren Lehrplan und zeitliche Vorgaben. War es im Kindergarten kein großer Aufreger, dass Ida sich erst ein Jahr nach ihrer gleichaltrigen Freundin Lara die Schuhe binden konnte, sieht das beim Lesen, Schreiben und Rechnen lernen etwas anders aus. Und war nach der Kita früher Freizeit angesagt, so streckt sich die Schule bis zum heimischen Esstisch aus, an dem nun nachmittäglich die Hausaufgaben erledigt werden.

Viele Experten halten Hausaufgaben nach wie vor für sinnvoll. Allerdings nur, wenn sie dazu dienen, bereits verstandenen und gelernten Stoff zu wiederholen und selbstständiges Arbeiten zu erlernen. „Das Kind soll sich mit einem Thema beschäftigen, es von links nach rechts und von oben nach unten wälzen, variieren, Fragen dazu entwickeln und auf diese Weise verinnerlichen“, sagt Lehrerin Isabel Daum aus Bonn. „Der Stoff sollte in kleine machbare Päckchen verpackt sein, an denen das Kind nicht scheitert, die aber trotzdem ein bisschen herausfordernd sind.“

Hausaufgaben sorgen für Routine, dafür das Automatismen entstehen. „Es gibt in der Lernforschung die Vorstellung, dass das Gehirn einer Lagerhalle gleicht, in der jede Information an einem anderen Ort abgelegt ist“, erklärt Isabel. Auf dem Boden der Lagerhalle wächst Gras und je öfter man den Weg zu einer Information nimmt, desto mehr wird das Gras plattgetreten. „Die ersten Male sind ein bisschen mühevoll. Man muss sich den Weg bahnen und sie immer wieder gehen. So entstehen Trampelpfade und man erreicht das gewünschte Wissen innerhalb kürzester Zeit, wenn man sie immer wieder geht.“ Dieses Bild kann man auch Kindern gut vermitteln.

Wie sollten Eltern unterstützen?

Was aber wird von Eltern erwartet, wenn es um die Hausaufgaben geht? Wie sollten sie ihre Kinder unterstützen? Nicht zu viel und nicht zu wenig, lautet die Antwort von Sevil Dogan, Grundschullehrerin aus Sankt Augustin. „Es gibt Eltern, die ihre Kinder so intensiv begleiten, dass sie die Hausaufgaben quasi auch ohne Kind machen könnten. Dann kann der Lehrer kaum einschätzen, wieviel es wirklich verstanden hat.“ Das andere Extrem seien Eltern, die sich gar nicht um die Hausaufgaben kümmerten. „Sind die Kinder leistungsstark und selbständig, kann das gut gehen. Leistungsschwächere Kinder fallen dadurch immer weiter zurück.“

Prinzipiell sollen Kinder lernen, ihre Hausaufgaben alleine zu bewältigen. Dafür braucht es die Unterstützung der Eltern. „Es ist wichtig, dass Eltern ihren Kindern Struktur vermitteln. Dazu gehören ein klarer Tagesablauf und möglichst ähnliche Hausaufgabenzeiten“, so Sevil und ihre Kollegin Isabel verdeutlicht: „Es ist toll, wenn Kinder von Anfang an lernen, selbst mitzudenken. Das fängt schon beim Nachhausekommen an: Den Ranzen an den richtigen Platz stellen, Trinkflasche und Brotdose auspacken, schauen, ob die Lehrerin eine Mitteilung für die Eltern in die Postmappe gelegt hat.“

Gute Arbeitsbedingungen schaffen

Eltern sollten auch dafür sorgen, dass die Kinder einen ruhigen Platz zum Hausaufgaben machen haben, an dem sie sich ungestört ausbreiten können. Das ist in den ersten Jahren häufig der Esstisch. Die meisten Kinder ziehen sich erst in höherem Alter in ihr Zimmer zurück. Sind kleine Geschwisterkinder dabei oder lässt sich ein Kind leicht ablenken, lohnen sich Kopfhörer, die Geräusche ausblenden. „Dann kann man die Hausaufgaben theoretisch auch an der frischen Luft erledigen“, sagt Isabel Daum vor.

Sie selbst achtet bei ihren Kindern auf einen guten Einstieg in die Hausaufgaben. „Wir klären am Anfang: Was musst du tun? Wie ist die Aufgabenstellung? Welches Material brauchst du? Sind die Stifte gespitzt, liegen die richtigen Arbeitsblätter auf dem Tisch?“ Es ist hilfreich, wenn es feste Plätze für Mäppchen und Hefte gibt und auch gutes Licht spielt eine Rolle: „Bei einem Rechtshänder, sollte es von links kommen, damit die Hand beim Schreiben keinen Schatten wirft. Klingt banal, aber es sind solche Kleinigkeiten, mit denen man sich das Leben leichter machen kann.“

Jedes Kind tickt anders

Wie sehr die Hausaufgaben das Familienleben beeinflussen, ist unterschiedlich. Jede Familie ist anders, hat individuelle Abläufe und Möglichkeiten zu unterstützen. Und auch jedes Kind ist anders. Einige stürzen sich mit Feuereifer auf die Aufgaben und erledigen sie schon früh selbständig. Andere tun sich schwerer, brauchen Anleitung und Ermunterung. Sie haben nach der Schule keine Lust mehr, wollen lieber spielen, ihre Ruhe haben oder sich bewegen.

In diesem Fall ist es wichtig, dass ein Erwachsener, die Hausaufgaben ein Stück weit anleitet. Auch Klaudia kann seit einem Jahr ein Lied davon singen. Ihr Sohn besucht die erste Klasse und ihre Erfahrung ist, dass ohne sie bei den Hausaufgaben nichts läuft. „Ich muss dabeisitzen und ihn antreiben. Sonst braucht er ewig, weil er sich nicht konzentrieren kann und einfach keine Lust hat.“ Eine Situation, die sehr viele Eltern kennen.

Lieber strukturelle Hilfe als inhaltliche

Wenn Mütter oder Väter die Hausaufgaben begleiten, sollten sie mehr strukturelle Hilfe geben als Inhaltliche, rät Sevil Dogan. „Kinder sollen lernen, die Aufgabenstellungen selbst zu verstehen. Oft fragen sie sehr schnell: Was muss ich hier machen? Dabei haben sie sich die Aufgabenstellung gar nicht wirklich durchgelesen. Ich kenne das auch von meinem Sohn.“ In dem Fall sei es gut, nachzuhaken und die Aufgabenstellung gemeinsam zu erarbeiten, ohne sie jedoch einfach vorzusagen.

Hausaufgaben im Ganztag

Etwa die Hälfte aller Kinder in NRW machen ihre Hausaufgaben nicht zu Hause, sondern besuchen die Ganztagsschule. Dort erledigen sie sie gemeinsam mit anderen Kindern. Das kann Vor- und Nachteile mit sich bringen. Das gemeinsame Arbeiten kann motivieren, aber auch die Konzentration stören. Die Aufgabenzeit richtet sich zudem nach organisatorischen Abläufen und stimmt nicht immer mit den Bedürfnissen der Kinder überein. Und eine individuelle Hausaufgabenbegleitung können Ganztagsschulen nicht leisten.

Aber auch wenn die Kinder die Aufgaben in der OGS erledigen, sollten Eltern zu Hause einen Blick darauf haben. Je nachdem, wie voll der Tag ist, kann es ein flüchtiges Korrigieren am Abend sein. Wenn möglich, lohnt es sich aber, etwas mehr Zeit zu investieren. „Meine Kinder sitzen bei der Aufgabenbesprechung dabei“, sagt Isabel. „Finden sie Fehler selbst, können sie sie korrigieren und lernen auf diese Weise, selbständig und gründlich zu arbeiten.“ Die Lehrerin empfiehlt: „Zum Abschluss auf das schauen, was das Kind gut gemacht hat und es möglichst konkret benennen. Also kein Pauschales, ‚das war toll‘, sondern eher, ‚du hast sauber geschrieben oder zügig gearbeitet‘.“

Stress mit den Hausaufgaben

Was aber, wenn das nur ganz selten der Fall ist? Wenn ein Kind mit den Hausaufgaben offensichtlich überfordert ist? Passiert das nur ab und an, ist das kein Grund zur Sorge. Wie Erwachsene auch, sind Kinder nicht immer gleich gut drauf und konzentriert. Merkt man jedoch, dass das Kind grundsätzlich länger sitzt, als für die Klassenstufe angedacht - zum Beispiel 30 Minuten in der ersten Klasse - sollte man Kontakt mit der Lehrkraft aufnehmen. Denn Kinder die ständig vor einem Berg Hausaufgaben sitzen, den sie nicht bewältigen können, sind irgendwann frustriert.

Damit es nicht zu Lernblockaden kommt, ist es sinnvoll, das Gespräch zu suchen. „Wenn Eltern und Lehrer gut zusammenarbeiten, kriegt das Kind Rückenwind“, verdeutlicht Isabel Daum und ermutigt: „Eltern sind genauso Experten für ihr Kind, wie Lehrer. Beide Seiten erleben es in unterschiedlichen Kontexten und können wertvolle Beobachtungen beisteuern.“ Wichtig ist gegenseitiges Vertrauen und Toleranz. „Es hilft niemandem auf Konfrontation zu gehen, wenn Probleme auftauchen. Deshalb sollten alle Beteiligten versuchen, an einem Strang zu ziehen“, sagt Isabel.

Gibt es zu Hause immer wieder Stress bei den Aufgaben, obwohl das Kind den Stoff eigentlich beherrscht, kann es auch an einem Rollenkonflikt liegen. „Eltern sind ja diejenigen, die die Kinder erziehen. Die auch ermahnen, korrigieren oder mal schimpfen.“ Bei den Hausaufgaben soll man plötzlich geduldig und ohne Erwartungsdruck unterstützen. Dieser Rollenwechsel klappt nicht immer. „Es hilft, sich zu fragen: Wie entspannt bin ich und wie perfektionistisch? Wie ist meine Einstellung zu den Hausaufgaben?“ Wenn es immer wieder knallt, kann es heilsam sein, die Betreuung abzugeben - an die Oma, die OGS oder an eine professionelle Hausaufgabenhilfe.

Einen guten Einstieg ins Lernen finden

Und was sagen Kinder selbst zu Hausaufgaben? Sofia geht in die dritte Klasse und findet sie prinzipiell gut, weil sie so Themen vertiefen kann, zum Beispiel vor Klassenarbeiten. Stressig findet sie zu viele Aufgaben. „Es ist besser, wenn wir ab und zu nur wenig aufhaben, dann habe ich mehr Zeit, Sachen zu üben, die ich noch nicht so gut kann.“ Erstklässlerin Viola mag gerne spannende Aufgaben mit Rätseln. Pures Rechnen findet sie dagegen lästig. Malia geht in die zweite Klasse. Sie hätte gern Aufgaben, bei denen sie das, was sie gelernt hat, draußen praktisch anwenden kann.

Ortwechsel und praktische Anwendungen beim Lernen findet auch Isabel Daum sinnvoll. Mathe und Deutsch zum Beispiel könnten Eltern wunderbar in den Alltag integrieren – etwa beim Einkaufen. „Man kann vorher zusammen den Einkaufszettel schreiben und überlegen, wie viele Taschen man mitnehmen muss. Im Laden können Kinder die Preise zusammenrechnen und das passende Geld raussuchen und auf dem Weg zurück, Autokennzeichen oder Hinweisschilder lesen oder geometrische Formen im Straßenverkehr suchen.“ Auf diese Weise verstehen die Kinder, warum Rechnen, Lesen und Schreibenlernen wichtig ist und es fühlt sich nicht wie üben an.

„Erste Klasse heißt zunächst einmal, einen guten Einstieg und Freude am Lernen zu finden“, sagt Isabel Daum. Man müsse nicht alles so superernst nehmen. Es gehe in Klasse eins schließlich noch nicht um das Abiturzeugnis. „Ich wünsche mir als Lehrerin von den Eltern, dass sie das Leben ihrer Kinder nicht komplett durchtakten, sondern ihnen Freiräume lassen. Sie sollen sich ihre Neugierde am Leben und an der Bewegung bewahren, ihren Hobbies nachgehen und sich auch mal langweilen dürfen.“ Denn gerade Langeweile bringt das Denken so richtig in Schwung.

 

Stephan StomporowskiStephan Stomporowski ist Professor für Erziehungswissenschaft am Bonner Zentrum für Lehrerbildung (BZL) der Universität Bonn. Im KÄNGURU-Interview auf Seite 2 erklärt er unserer Autorin Janina Mogendorf, warum Hausaufgaben prinzipiell Sinn machen, welche Rolle die Eltern dabei spielen und warum es sich lohnt, als Lehrer auch mal unkonventionelle Wege zu gehen.

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