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Teenager

Psychische Erkrankungen: Interview

Ursula Katthöfer · 14.10.2019

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Foto: privat

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Unser Gesundheitssystem ist nicht gut auf psychisch erkrankte junge Erwachsene vorbereitet. Wer einmal 18 Jahre alt ist, kann tagesklinisch nicht mehr kinder- und jugendpsychiatrisch behandelt werden. Doch die Behandlungskonzepte für Erwachsene passen auch nicht. Die Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn (UKB) schließt diese Lücke. Das UKB öffnete im März 2018 eine Tagesklinik für junge Erwachsene. Darüber hat Ursula Katthöfer für KÄNGURUplus mit Oberarzt Dr. Marcel Lüssem gesprochen.

KÄNGURUplus: Warum rücken psychosomatische Erkrankungen bei jungen Erwachsenen ausgerechnet jetzt in den Fokus?

Dr. Marcel Lüssem: In unserer komplexen Industriegesellschaft haben die Menschen mehr Wahlmöglichkeiten als je zuvor. Dies hängt mit einer Vielzahl an gesellschaftlichen Umbrüchen zusammen. Die weniger strenge Sexualmoral, die Emanzipation der Frau, neue Wohnformen und die große Auswahl bei den Ausbildungsmöglichkeiten können verunsichern und zu psychischen Erkrankungen führen. Je komplexer eine Gesellschaft, desto länger die Entwicklungsphase der Adoleszenz, also des Erwachsenwerdens.

Um welche Altersspanne geht es?

Die Wissenschaft siedelt die Phase der „Emerging Adulthood“ zwischen 18 und 30 Jahren an. In diesem Zeitraum sind junge Menschen nicht mehr Jugendliche, aber auch noch nicht Erwachsene.

Was macht diesen Übergang so schwierig?

Es werden unterschiedliche Entwicklungsaufgaben an die Heranwachsenden herangetragen. Sie sollen vom Elternhaus unabhängig werden, persönliche Ziele und Wertvorstellungen formulieren, stabile Partnerschaften aufbauen, die richtige Wohnform finden – kurz: Eine Identität ausbilden. Es gibt also einen hohen Entwicklungsdruck in dieser Lebensphase, weil auf der einen Seite große Anforderungen stehen, auf der anderen Seite die gesellschaftlichen Realitäten wenig Stabilität bieten. Diese Diskrepanz kann psychisch krankmachen.

Alle diese Herausforderungen haben die Generationen zuvor aber doch auch geschafft.

Sicher. Doch heute hat die Gesellschaft einen höheren Anspruch an die jungen Menschen und der Konkurrenzdruck aufgrund der vielen Vergleichsmöglichkeiten in sozialen Netzwerken steigt. Ihr Selbstwertgefühl hängt beispielsweise stark von der Zahl der Facebook-Freunde ab. Dies erzeugt Druck.

Reagieren junge Frauen anders als junge Männer?

Das Risiko für junge Frauen, im Alter zwischen 18 und 34 Jahren von einer psychischen Erkrankung betroffen zu sein, ist hoch. Dies betrifft etwa ein Drittel von ihnen. Ein Risikofaktor bei Mädchen ist die frühe Pubertät, sie leiden z.B. unter selbstverletzendem Verhalten, Essstörungen, Angst und Depression.

Und wie ist es bei Jungen?

Ihr Risikofaktor ist eine späte Pubertät. Dies kann dazu führen, dass Jungen sich in der Peergroup nicht konkurrenzfähig fühlen. Bei ihnen finden wir eher Störungen wie oppositionelles Verhalten, Alkohol und Drogenmissbrauch sowie einen zu starken Bewegungsdrang.

Wie geht die Tagesklinik auf junge Erwachsene ein?

Wir betrachten nicht nur Kindheit und Jugend, sondern auch die Übergangsphasen, z.B. von der weiterführenden Schule in die Ausbildung oder das Studium. Wenn jemand vermeidet, zur Schule zu gehen, können wir damit umgehen. In Kliniken für Erwachsene gibt es damit hingegen wenig Erfahrung. Dabei macht jeder Tag, an dem die Schule nicht besucht wird, die Rückkehr schwieriger.

Welche Rolle spielen Gleichaltrige in der Therapie?

Sie sind für den Behandlungserfolg sehr wichtig, denn junge Erwachsene können die Schwierigkeiten in dieser Lebensphase vor dem Hintergrund der eigenen Lebenssituation gut nachvollziehen und sich gegenseitig unterstützen.

Was geschieht, wenn jemand aus der Tagesklinik entlassen wurde?

Das soziale Umfeld, in das jemand zurückkehrt, kann die Erkrankung mitverursacht haben. Deshalb beziehen wir diesen Aspekt frühzeitig mit in die Behandlung ein. Es gibt drei Nachsorgetermine, bei denen wir schauen, wie die erzielten Therapieerfolge beibehalten werden können.

Wie können Eltern ihre Kinder davor schützen, psychisch zu erkranken?

Ein starkes Selbstvertrauen ist der beste Schutzfaktor. Eltern sollten nicht zu streng, aber auch nicht vernachlässigend oder überfürsorglich sein. Es ist eine immense Herausforderung, für die Autonomie der eigenen Kinder zu sorgen.

Vielen Dank!

Kontakt zur Tagesklinik

Es gibt zwei Möglichkeiten, mit der Psychosomatischen Tagesklinik des Universitätsklinikums Bonn in Kontakt zu kommen:

  1. mit Termin und Überweisung: Ein behandelnder Arzt überweist in die Ambulanz, so dass sich jemand vorstellen kann.
  2. ohne Termin: Die offene Ambulanz ist ein niederschwelliges Angebot, für das keine Überweisung nötig ist.
    • Essstörungsambulanz: donnerstags von 13:00 bis 14:30 Uhr
    • Angststörungsambulanz: dienstags von 13:00 bis 14:30 Uhr

Telefon: 0228 - 287-162 99 und 287-314 38, www.psychosomatik-bonn.de

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