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Teenager

Meinung und Teilhabe – Die politische Stimme der Jugend

Lisa Böttcher · 31.03.2025

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Die politische Stimme der Jugend wird selten gehört. ©KrakenImages/AdobeStock

Die politische Stimme der Jugend wird selten gehört. ©KrakenImages/AdobeStock

Jugendliche hegen oft ein großes Interesse für aktuelle Politik. Sie demonstrieren, informieren, wählen und lernen. Dennoch fühlen sie sich von Erwachsenen und Politiker:innen häufig nicht ernst genommen. Wie nehmen sie die politische Landschaft wahr, was wünschen sie sich von Erwachsenen und wie hängen Politik und Digitalisierung zusammen? Wir haben nachgefragt.

In Europa herrscht Krieg, der Klimawandel nimmt ungebremst an Fahrt auf, die Welt wirkt immer bedrohlicher und die Gesellschaft scheint sich weiter zu spalten, anstatt zusammenzurücken. Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene stolpern nun sehenden Auges in diese ungewisse Zukunft – und fühlen sich dabei erschreckend machtlos.

Dass die Demokratie und die politische Zukunft Deutschlands auch den Jugendlichen nicht egal ist, beweisen sie mehrfach, indem sie sich informieren, demonstrieren, politisch aktiv werden und vor Allem wählen. Dennoch fühlen sich viele Jugendliche von Erwachsenen und der Politik nicht ernstgenommen. Autorin Lisa Böttcher geht den Fragen nach, wie sie die politische Landschaft wahrnehmen, was die Verlagerung des Wahlkampfes in die digitalen Medien bedeutet und was Eltern beachten können, wenn sie mit ihren jugendlichen Kindern über politische Themen sprechen.

Pommes und Politik

„Ich beschäftige mich viel mehr mit Politik als meine Eltern. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass sie meine Meinung nicht ernst nehmen“. Diese ernüchternde Bilanz zieht die 15-jährige Merle. Sie steht mit ihrer Freundin Clara, ebenfalls 15, in der Schlange vor einem Imbisswagen. Sie sind zwei von geschätzt 120 Jugendlichen, die sich hier eine kostenlose Portion Pommes abholen wollen. Den Vormittag hat die 10. Klasse der Katharina-Henoth-Gesamtschule in Workshops mit Namen wie „Stammtischkämpfer:innen“, „Militarisierung und Frieden“, „Rechtsruck in Deutschland“ oder „Macht, Männer, Musk“ verbracht. Nach der Mittagspause steht ihnen eine politische Debatte bevor. Diese und die Workshops sind Teil eines Aktionstages zur U-18-Wahl, der kurz vor der Bundestagswahl 2025 vom Kölner Jugendring e.V. organisiert wird.

Bei der Debatte vertreten sind Lokalpolitiker:innen von SPD, FDP, CDU, Volt, den Grünen und der Linken. Die AfD wurde nicht eingeladen. Damit entsprach die Veranstaltung nicht dem Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien, an den Schulen als städtische Einrichtungen gebunden sind. Aus diesem Grund durfte die Debatte nicht in der Schule stattfinden. Der Vingster Pfarrer Franz Meurer bot seine Kirche St. Theodor deshalb als Ausweichstandort an.


Jugendliche der KGH besuchen die Podiumsdiskussion. © Lisa Böttcher

So versammeln sich die Schüler:innen der 10. Jahrgangsstufe der KGH im kreisrunden Kirchsaal. Sie verteilen sich auf den hölzernen Kirchenbänken, scrollen am Handy oder unterhalten sich, während die Politiker:innen mit Mikrofonen und Wasser ausgestattet werden. An dieser Stelle sollte angemerkt werden, dass die Schüler:innen freiwillig hier sind. Da die Podiumsdiskussion nicht als Schulveranstaltung stattfinden kann, wurden die Jugendlichen für den Nachmittag freigestellt und konnten selbst entscheiden, ob sie teilnehmen wollten. Bis auf eine Portion Pommes lockte sie an diesem Tag also nur die Neugier zu dieser politischen Debatte. Und dass ihnen diese Neugier abgesprochen wird, geht den meisten gründlich gegen den Strich.

Die Relevanz der jungen Meinung

„Du bist zu jung, du verstehst das nicht“. Diesen oder zumindest einen ähnlichen Satz haben viele der Jugendlichen, die der Debatte an diesem Tag beiwohnen, schon einmal gehört. „Ich wünsche mir, dass Erwachsene mir zuhören, wenn ich über Politik spreche. Und dass sie meine Meinung ernst nehmen“, findet die 16-jährige Simge. Manchmal habe sie das Gefühl, dass Erwachsene ihre Aussagen nicht für glaubwürdig halten. Dabei wirkt die Jugendliche leidenschaftlich und überzeugt – nicht naiv oder uninformiert. „Wenn ich eine Info nicht verstehe oder mir nicht sicher bin, ob sie wahr ist, lese ich die Wahlprogramme“, erklärt Simge. Und noch eins steht für die Schülerin fest: „Ich würde gerne wählen gehen“.

Auch Clara und Merle macht die Ohnmacht zu schaffen. „Erwachsene denken, nur weil wir jünger sind, sind wir im Unrecht“, erzählt Merle. Dabei würden sie oft gar nicht abwarten, was die Jugendlichen zu sagen haben. Clara und Merle möchten ebenfalls wählen dürfen. „Es ist schade, dass wir nichts machen können“, erklärt Clara – auch mit Blick auf den Rechtsruck, von dem die junge Generation nicht verschont bleibt. „Es ist deprimierend, dass so viele Menschen die AfD wählen“, findet die 15-Jährige. Dass der Anteil bei den Jungwähler:innen so groß ist, mache ihr Angst. „Wir sind ja diejenigen, die die Zukunft ändern können.“ Für den Moment beschränken die beiden Mädchen sich darauf, ihre Sorgen und Meinungen mit Anderen – auch Erwachsenen – zu teilen und zu hoffen, dass sich das auf die Wahlentscheidungen auswirkt.

Doch nicht alle Jugendlichen sind sich ihrer Sache so sicher. „Ich beschäftige mich zwar mit Politik, aber mir wäre es lieber, wenn Ältere wählen gehen“, erklärt die 15-jährige Schülerin Kanisha. „Ich finde, ich bin zu jung und ich wäre mir nicht sicher, wen ich wählen soll“.

Eine denkwürdige Wahl

Nicht nur die Jugendlichen der Katharina-Henoth-Gesamtschule treibt das Wahlthema in diesem Jahr um. Rückblickend war die Bundestagswahl 2025 vermutlich eine der nervenaufreibendsten der vergangenen Jahrzehnte. In den wenigen Monaten, die zwischen dem Bruch der Ampelregierung und der vorgezogenen Wahl am 23. Februar 2025 vergangen sind, wurde ein harter, öffentlichkeitswirksamer Wahlkampf geführt. Hoch her ging es auch im Bundestag und auf den Straßen deutscher Großstädte.

Nach der Auszählung ist klar: Deutschland erfährt mit knapp 84 Prozent die höchste Wahlbeteiligung seit der Wiedervereinigung und während die etablierten Großparteien sich nur mit Mühe in tiefes Fahrwasser kämpfen, verdoppeln die AfD und Die Linke ihre Wahlergebnisse im Vergleich zur Bundestagswahl 2021. Auch Schüler:innen in ganz Deutschland konnten bei der U-18 Wahl symbolisch abstimmen. Ein Blick auf die Resultate zeigt: Klare Gewinnerin hier ist hier ebenfalls Die Linke – und zwar mit 20,84 Prozent der Stimmen. Aus der jüngsten Wähler:innenkohorte (18-24 Jahre) bei der Bundestagswahl holt Die Linke sich sogar 25 Prozent, also ein Viertel aller Stimmen, dicht gefolgt von der AfD mit 21 Prozent.

Der Schritt ins Digitale

Auch wenn es viele Gründe für die Wahlentscheidungen der jungen Generation gibt – die Social Media Präsenz scheint eine Rolle zu spielen. Das haben einige der Parteien verstanden. AfD und Die Linke verzeichnen die meisten Follower:innen auf Instagram und TikTok.

Auf TikTok folgen der AfD über 560 Tausend Menschen, auf Instagram 310 Tausend. Spitzenkandidatin Alice Weidel versammelt nochmals über 935 Tausend Follower:innen auf TikTok und 530 Tausend auf Instagram. Damit kann keine der anderen Parteien konkurrieren. Der Linken folgen auf Instagram immerhin 432 Tausend Menschen, auf TikTok über 386 Tausend. Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek zählt knapp 590 Tausend Follower:innen auf Tiktok und nochmals 566 Tausend auf Instagram.
(Anm. d. Red. – Diese Zahlen stammen vom 26. Februar 2025 – dem Zeitpunkt, an dem dieser Artikel verfasst wurde.)

Dass Social Media bei der Informationsbeschaffung zu politischen Themen eine enorme Rolle spielt, bestätigen auch die Jugendlichen. Instagram, Youtube und TikTok sind für sie ebenso Informationsquellen wie Unterhaltungsplattformen. Wie Wahlkampf auf Social Media funktioniert, erklärt Robert de Lubomirz-Treter. Er ist Politikwissenschaftler und Teamleiter der Online-Plattform „Frag Zebra“ – einem Angebot der Landesanstalt für Medien NRW, das Eltern, Jugendlichen und Kindern Fragen zu Themen rund um Medien beantwortet.

„Man muss alles hinterfragen“

„Der Wahlkampf auf Social Media ist geprägt durch ganz viele Angebote“, erklärt Robert de Lubomirz-Treter. „Da gibt es Nachrichtenportale, Creator:innen, die teilweise ihre politische Meinung im Internet verkünden, und natürlich die Politiker:innen und Parteien selbst“. Nicht zu unterschätzen seien laut dem Experten aber auch Portale, die zwar wie Nachrichten aussehen, aber keinerlei journalistischen Anspruch haben und Meinung nicht entsprechend kennzeichnen. Diese verschiedenen Akteure zu unterscheiden, setze ein gewisses Verständnis voraus.

Dass man nicht allen Informationen, die einem auf Social Media begegnen, blind vertrauen sollte, wissen einige Jugendliche. „Man muss auf Instagram eigentlich alles hinterfragen und durch andere Quellen prüfen“, sagt Merle. Auch Simge bespricht die Themen lieber nochmals mit ihrer Mutter oder bemüht Google. „Es gibt aber auch seriöse Online-Quellen“, ergänzen die Schülerinnen. „Tagesschau online zum Beispiel. Oder YouTube-Kanäle, wie Die da oben oder Mr. Wissen2Go“. Beide Formate sind Teil des öffentlich-rechtlichen Programms.

Der Kampf um die Klicks

Nicht alle jungen Menschen begegnen Digitalen Medien jedoch so kritisch und reflektiert wie diese Schüler:innen. „Gerade zu Influencer:innen und Creator:innen besteht ein großes Vertrauen seitens der Jugendlichen“, erklärt Robert de Lubomirz-Treter. „Es entstehen gefühlte Freundschaften zu den Menschen, die da eine Stimme haben“. Hinzu komme die viele Zeit, die Teenager und junge Menschen am Tag auf Social Media verbringen. All das führe dazu, dass digitaler Wahlkampf tatsächlich Einfluss auf die politische Meinung hat.

Das gerade extreme Meinungen sich schnell verbreiten, liege an der hohen Emotionalität dieser Beiträge. „Alles, was starke Gefühle hervorruft, wird gut geklickt und dementsprechend dann auch zu Ende geguckt“, erklärt der Politikwissenschaftler. „Extremismus lebt ja davon, dass es sich irgendwie verbreiten muss, um eine gewisse Macht zu entwickeln. Und Social Media ist dafür ein guter Nährboden, weil es sich schnell multipliziert, technische Manipulationen zulässt und weil man Kleines einfach ganz groß aussehen lassen kann“.

Prävention und Bauchgefühl

Natürlich sind nicht alle erfolgreichen Social-Media-Auftritte und Beiträge manipuliert, populistisch oder gar extremistisch. Politischer Austausch – auch in der digitalen Welt – ist ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Daher lohnt sich ein genauerer Blick auf die Inhalte. „Wir empfehlen allen Eltern, sich Social Media auch mal zeigen zu lassen“, rät der Politikwissenschaftler. „Man hat dort fünf lustige Videos und dann kommt ein politisches.“ Den Schalter im Kopf umlegen zu können, von Unterhaltung zu potenzieller Beeinflussung, sei zentral. Und das können Eltern leichter nachvollziehen und mit Kindern üben, wenn sie es selbst erleben.

Wenn es Eltern schwerfällt, das digitale Tempo zu halten, helfen Angebote wie „Frag Zebra“. Dort werden neue digitale Trends und Entwicklungen aufgeschlüsselt, aber auch die Funktionsweisen und Eigenheiten von Apps erklärt. Eltern können Fragen oder Stichwörter einsenden und sich individuell beraten lassen. Oft kann ein Blick auf den Instagram Kanal oder die Website von „Frag Zebra“ schon weiterhelfen.

Jugendlichen rät Robert de Lubomirz-Treter zu Vorsicht, wenn Nachrichten oder Beiträge starke negative Gefühle wie Wut oder Hass auslösen. „Wenn es einem so nah geht, ist das vielleicht der richtige Moment, um das Handy mal wegzulegen, durchzuatmen und den Beitrag nicht direkt zu teilen“.

Zuhören und ernst nehmen

Doch was, wenn Versuche über Politik zu sprechen, immer wieder scheitern? Julia Körfgen ist Sozialpädagogin und Jugendbildungsreferentin beim Kölner Jugendring. Sie ist der Meinung, dass Eltern einen großen Einfluss auf ihre Kinder ausüben. Umso wichtiger sei es, ihnen zuzuhören und die Meinungen und Sorgen von Jugendlichen ernst zu nehmen. Denn es ist nicht unüblich, dass sich politische Meinungen von Generation zu Generation unterscheiden.


Eltern sollten mit ihren Kindern über politische Sorgen sprechen. © Miljan Živković/AdobeStock

Wenn Eltern allerdings beobachten, dass ihre Kinder den Pfad der Demokratie verlassen, besteht Handlungsbedarf. „In dem Fall ist eine Möglichkeit, die Jugendlichen in ein anderes, demokratisches Umfeld zu bringen“, schlägt die Sozialpädagogin vor. „Die Jugendverbandsarbeit oder Ferienfreizeiten können da helfen“. Außerdem sollten Eltern sich auch in dieser Situation mit der Meinung ihrer Kinder auseinandersetzen und nachvollziehen, warum sie den Schritt in die Radikalisierung gehen. Die Ursachen können womöglich auf andere Weise bekämpft werden.

„Gute Kommunikation ist der Schlüssel“

In der politischen Kommunikation mit Jugendlichen insgesamt aber gilt: Zuhören, ernst nehmen, sachlich diskutieren und den Jugendlichen nicht ihre Kompetenz absprechen. Eltern sollten versuchen, die Lebenswelten ihrer Kinder zu verstehen und ihre eigenen Ansichten im Zweifel ebenso reflektieren und erklären, anstatt sie den Jugendlichen aufzubinden.

„Eltern müssen sich anschauen, wie ihre Kinder aufwachsen und wie sie selbst aufgewachsen sind“, erklärt Julia Körfgen. Denn viele Meinungsunterschiede seien in der Sozialisation begründet. „Außerdem ist gute Kommunikation der Schlüssel, damit Verständnis für beide Seiten aufgebracht werden kann“. Wenn sich die Gespräche immer wieder im Kreis drehen, muss man sich vielleicht doch darauf einigen, dass man sich nicht einig wird. In dem Fall mache es Sinn, die Jugendlichen ihren eigenen Weg gehen zu lassen, so Julia Körfgen.