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Teenager

Generation Greta

Anja Schimanke · 26.11.2019

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Foto Bela König

Foto Bela König

Vor gut einem Jahr ging Greta Thunberg nicht in die Schule. Stattdessen setzte sie sich vor das schwedische Parlament und protestierte: Skolstreik för klimatet – Schulstreik fürs Klima! – stand auf ihrem Transparent. Erst saß sie jeden Tag da, dann immer freitags. Am Anfang allein, mittlerweile sind es zehntausende Schüler*innen, manchmal hunderttausend junge Menschen, die eine bessere und konsequentere Klimapolitik fordern. Denn trotz Klimaabkommen steigen die globalen Emissionen seit 1950 unverändert an.

Machen wir alle so weiter wie bisher, hätten wir schon in etwa 20 Jahren die 1,5-Grad-Marke erreicht – und das könnte fatale Auswirkungen haben. Die Klimakrise bedroht alle Menschen auf der ganzen Welt. Dich, mich, unsere Kinder ... und die ganz besonders. 2/3 der Jugendlichen in Deutschland haben große Angst vor dem Klimawandel. Ihr Gefühl: Sie müssen die Fehler der Älteren beim Klimaschutz ausbaden. Darum setzen sie alles in Bewegung, pflanzen Bäume, sammeln Müll, leben vegan, verzichten auf Fernreisen oder ihren Führerschein, oft auch alles gleichzeitig


MEINUNG: Wofür engagierst du dich?

„Atomkraft abschalten, das war die Generation meiner Eltern – Braunkohle abschalten, verstehe ich als meine Generation! Hier, wo der Himmel immer mit Kohlekraftwolken bedeckt ist und Garzweiler und der Hambi um die Ecke sind, schreit es geradezu danach, sich zu engagieren. Viele sagen, das ist doch nur ein kleiner Wald; die Welt geht nicht davon unter, wenn der weg ist. Stimmt, so viel Wald ist da nicht (mehr), der viel CO2 aus der Luft filtern könnte. Aber der weltweite Protest, der Kampf, wurde projiziert und kanalisiert auf einen Punkt: Da kämpfen die Menschen und wenn sie gewinnen, dann machen sich vielleicht auch andere Konzerne Gedanken über ihre Profit-über-Menschen-Politik. Das ganze Leid und Elend auf der Welt: Klimakrise, Massentierhaltung, Regenwaldbrände – Hätten wir das den ganzen Tag vor Augen, wir würden uns alle erhängen. Ich bin nicht der Oberaktivist, interessiere mich aber viel für politische Themen. Darum bin ich regelmäßig bei Demos dabei. Sind bei einer FFF-Demo über 30.000, dann sind wir „nur“ Schüler, die keine Ahnung habe. Ziehen 30 Pegida-Demonstranten, heißt es: Die sind das Volk, deren Sorgen müssen ernst genommen werden und die Politik handelt. Wenn bis 2100 die 2-Grad-Marke nicht überschritten werden soll, dann darf jede*r Deutsche nicht mehr als 2 Tonnen CO2 im Jahr verbrauchen – und nicht 9, wie zurzeit. Das Essen bzw. die Massentierhaltung ist der größte Faktor der Klimaerwärmung! Das werde ich auch nicht müde, allen immer wieder zu erzählen. Es ist ein ignorantes Verständnis, dass Fleischessen ein Grundrecht ist – wir leben in einer Gesellschaft in der der Massenmord an Tieren ideologisch gerechtfertigt und verschleiert wird … Heute gibt es immer noch Leute, die an eine Möhre denken, wenn sie vegan oder vegetarisch hören. Dabei ist es im 21. Jahrhundert gar kein Verzicht mehr. Es ist nicht deine Schuld, dass du die Welt vorfindest, so wie sie ist. Wenn du sie verlässt und sie ist noch immer so, dann hast du mit Schuld daran, weil du hättest ja was tun können."


Béla (17) ist Abiturient und Aktivist bei Fridays for Future und Hambi bleibt.


Viele Worte, wenig erreicht

Lange haben wir vom Klimawandel gewusst. Sehr lange. Dann wurde lange viel geredet und zu wenig gemacht. Viel zu wenig. Seit mehr als 50 Jahren warnen Klimaexperten vor der globalen Erwärmung, davor, dass die Pole schmelzen, der Meeresspiegel ansteigt. Und? Et hätt noch immer jot jejange? Diesmal leider nicht: Insekten sterben, Regenwald brennt, Hitzerekordsommer und Klimanotstand in Köln – die Folgen der Klimakrise sind sichtbar und unheilvoll. Fast 70 Prozent der Jugendlichen in Deutschland haben große Angst vor dem Klimawandel, Mädchen mehr als Jungen. Viele von ihnen engagieren sich für Umwelt- und Klimaschutz, manche allein, andere in Vereinen und Institutionen. Und es werden mehr. Allein die BUNDjugend verzeichnet 5.000 mehr Mitglieder im Jugendbereich innerhalb eines Jahres. Andere streiken freitags und fordern mehr Klimaschutz.

„Fridays For Future“ oder auch FFF ist längst keine Demo mehr, sondern eine Bewegung, die die Politik, aber auch Schule und Eltern fordert. „Seit Monaten gehen Schüler für den Klimaschutz auf die Straße und die Erwachsenen schauen nur zu,“ so Johanna Radloff, Mitbegründerin von „Together For Future“, einer Initiative, die im April gestartet ist und vor allem ein Ziel hat: Die Schülerinnen und Schüler in ihren Protesten zu unterstützen und die Erwachsenen aufzurufen, sich den Demonstrationen anzuschließen. Radloff sagt: „Was gerade geschieht, kann als unterlassene Hilfeleistung gesehen werden.“


MEINUNG: Wie sollten Schulen auf Schülerstreiks reagieren?

„Ich empfehle den Lehrern und Schulleitern, hart zu reagieren und deutlich zu machen, wie die Regeln sind: nämlich dass Schulpflicht vorgeht. Nur so kann den Streikenden signalisiert werden, dass man sie ernstnimmt. Sie brechen mit dem Schuleschwänzen bewusst die Regeln, um ihren Protest zu unterstreichen. Wenn die Schulen das Streiken einfach tolerieren und unentschuldigte Fehlstunden nicht aufschreiben, dann wird der Protest unterpflügt. Dem Engagement der Schüler könnte dadurch der Wind aus den Segeln genommen werden. Eine politische Bewegung versucht Aufmerksamkeit zu generieren, zum Beispiel durch einen Regelbruch, einen Akt zivilen Ungehorsams. Die streikenden Schüler wurden dabei sicherlich beeinflusst durch die Protestbewegung im Hambacher Forst. Das Umweltthema war da sehr anschaulich und die Bewegung spielt für die Jugendlichen eine symbolische Schlüsselrolle. Neu ist, dass das politische Interesse diesmal in der großen Mehrheit bei der Schülerschaft liegt. Wenn die Bewegung anhält, wäre das Alter ihrer Anhänger historisch neu und einmalig. Ob ihr Engagement weiter anhält? Eine politische Bewegung verlangt Disziplin, Ausdauer und Widerstandsfähigkeit. Wenn das bei 15 Prozent der Schüler der Fall ist, kann von einer politischen Bewegung die Rede sein.“

© Hertie School of Governance
Klaus Hurrelmann, Jugendforscher an der Hertie School of Governance in Berlin


Eltern gehen mit

Es geht auch anders. Viele Eltern finden toll, dass ihre Kinder so engagiert sind und unterstützen sie gerne. Finn Stakelbeck ist als Klimabotschafter bei plant-for-the-planet aktiv, hält Vorträge, sammelt Spenden und war bei der großen FridaysforFuture-Demo im März in Aachen dabei. Er ist gerade 11 geworden. Wenn es um Klimaschutz geht, sagt seine Mutter, habe Finn eigene Ideen und Vorstellungen und sei sehr straight. „Ich bewundere das, seinen Aktivismus!“ Auch die „Parents 4 Future“ befürworten das Engagement der Kinder (nicht unbedingt der eigenen!) und unterstützen ihre Forderungen sowie Ziele bei den FFF-Demos.

„Es geht um unser aller Leben, aber vor allem um die Zukunft unserer Kinder!“ Dirk hat zwei erwachsene Kinder und ist seit April Mitglied in der Aktionsgemeinschaft. Der Auslöser war ein wissenschaftlicher Vortrag über die Klimakrise. „Das hat mir so einen Schrecken versetzt!“, sagt er, dass er die Ansinnen der Schüler*innen seitdem unterstützt und der Politik so Dampf machen will, um die Klimaziele zu erreichen. Dirk ist sicher: „Erwachsene, die auf Greta und die FFF-Bewegung schimpfen, rechtfertigen nur ihr eigenes Nichtstun, da sie ja ihren eigenen Lebensstil anpassen müssten.“ Ab Oktober wollen die Kölner Parents4Future-Mitglieder freitags ab 18 Uhr auf dem Alter Markt demonstrieren, so der Plan. 85 Eltern sind es bislang. 18 neue interessierte Eltern waren beim letzten Treffen dabei. Bei einer Millionenstadt ist noch Luft nach oben.


MEINUNG: Morgen geht die Welt unter ...

... da müssten wir eigentlich alle aufspringen und sagen: „Was? Oh mein Gott, lass uns sofort etwas dagegen unternehmen!“ Greta macht das. Wir aber nicht. Unser Schock wird wegsozialisiert. So wie uns die Obdachlosen auf der Straße irgendwann nicht mehr schocken, weil wir abstumpfen. Für uns ist es heute völlig normal geworden, dass wir unseren gesellschaftlichen Wohlstand mit dem Leid anderer erkaufen. Wenn man sich das mal vor Augen führt, müsste sich jeder von uns fragen: „Haben wir sie eigentlich noch alle?“ Greta sieht das. Und immer mehr Jugendliche auch …

© Tadzio Müller
Tadzio Müller, Referent für Klimagerechtigkeit und Internationale Politik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung


Zahlen & Fakten

  • 2/3 der befragten Jugendlichen (68%) haben große Angst vor dem Klimawandel.

  • Mädchen und junge Frauen (74%) sorgen sich etwas stärker als Jungen (62%).

  • „Wir Jungen müssen die Fehler der Älteren beim Klimaschutz ausbaden“ – das Gefühl haben 75%.

  • Klimaschutz ist Aufgabe von Politik und Parteien (69%).

  • Nur 22 % glauben, dass sie den Klimawandel tatsächlich aufhalten können.

  • Zur Rettung des Klimas beitragen können Wissenschaft (73%) sowie Umwelt- und Tierschutzorganisationen (73%).

  • Fast jede*r 3. nimmt sich selbst in die Pflicht und 70 % vertrauen darauf, dass die junge Generation selbst etwas tun kann.

  • Fast jede*r Jugendliche kennt Fridays for Future.

  • Jede*r vierte (24%) hat schon bei FFF teilgenommen.

  • 14% haben 1x teilgenommen, 10% mehrmals.

  • 9% haben noch nichts von der Klimaschutzbewegung gehört.

  • Die Hälfte (51%) sind zuversichtlich, dass FFF etwas bewegen wird, 23% halten es für wirkungslos.

  • 64% der Jugendliche, die bei FFF teilgenommen haben, glauben häufiger, dass die Bewegung etwas bewirkt, 46% der Nicht-Teilnehmer.

  • Was sie selbst tun: Verzicht auf Fernreisen (30%), kein neues Handy kaufen (47%), Nein zu Fast Food, Lieferessen und Coffee-to-go sagen 19%, Nein zu Fleischkonsum nur 14%.

Quelle: SINUS-Studie zu FFF und Klimaschutz

Lese-Tipp: Fluter „Klimawandel“

Alle reden über das Klima als Krise, doch was wissen wir wirklich über den Klimawandel? Wie und wann werden wir ihn spüren – und bei wem ist er längst angekommen? Nicht nur bei den Eisbären, so viel sei verraten.

Kostenlos zu bestellen unter www.bpb.de/shop/zeitschriften/fluter/288231/klimawandel oder per E-Mail an abo@heft.fluter.de

Gut zu wissen

  • Noch bis zum 8. November läuft der städtische Schulwettbewerb „Gemeinsam stark fürs Klima“. Die Klimaschutz Community Köln und die Stadt laden alle Kölner Schüler*innen ein, Ideen und Beiträge für den städtischen Klimaschutz einzureichen. Infos und Anmeldung unter www.klimaschutzcommunity.koeln

  • Avocado im Salat, Fleisch zum Mittag und mal eben mit dem Flieger nach Berlin? Hier könnt ihr euren CO2-Fußabdruck schätzen lassen. Von 12 Tonnen CO2e auf unter 1 Tonne CO2e pro Person und Jahr. Das ist die Position des Umweltbundesamtes im Einklang mit der internationalen Staatengemeinschaft. Hierzu muss jede*r noch viel tun. www.uba.co2-rechner.de/de
  • Das Projekt MehrWert NRW der Verbraucherzentrale NRW hat eine Onlinekarte entwickelt, die erstmals landesweit Initiativen für klimafreundliche Ernährung, umweltverträgliche Mobilität und ressourcenschonenden Konsum aufführt. Mit einem Klick finden ihr den Kontakt zu Gemeinschaftsgärten, Giveboxen, Reparatur-Cafés und Solidarischen Landwirtschaften. In Köln sind bereits 36 solcher Initiativen eingetragen. www.mehrwert.nrw/mitmachen/karte