Kolumne
Drachenfeuer
Frau Karli · 08.12.2021
zurück zur ÜbersichtWenn ich unsere Dreizehnjährige dieser Tage beim Zoff mit ihrem Vater erlebe, ergreift mich häufig eine eigentümliche Mischung aus Stolz, Rührung und Vorfreude auf die Wucht von Ehefrau, die sie mal sein wird. Sofern sie sich überhaupt für einen Mann und die Ehe entscheiden wird. Mit allen anderen Optionen, die wir jetzt womöglich noch gar nicht auf dem Schirm haben, wären wir auch fein. Na jedenfalls: Wie schön sie ist, wenn sie vor Wut und Entrüstung in Flammen steht! So feurig, so dramatisch, so stolz und klar! So stelle ich mir die mysteriöse Göttin Kali vor, die mystischen Deutungen zufolge für Zerstörung, aber auch für Erneuerung steht. Eine furchteinflößende und zugleich großartige Kraft.
Ja, das klingt dramatisch. Und tatsächlich handelt es sich bei den gelegentlichen Reibereien zwischen unserer jungen Kali und meinem Mann nicht bloß um launische Zickereien, sondern um gründliche, höchst spannende Sondierungsarbeit: Es ist das übliche Ringen unterschiedlicher Logiken und Wahrnehmungen in einem Haushalt mit unterschiedlichen Geschlechtern. Dieses Aneinandervorbeireden und Missverstehen, gefolgt von genervtem Klarstellen und Zurechtweisen, das mir nur allzu vertraut in den Ohren klingelt. Auch mein Mann erscheint mir dann plötzlich in einem ganz anderen, milden Licht und ich sehe seine ganze Geduld, seine liebe Güte und das gelegentlich zerknirschte, ehrliche Unverständnis. Nun, die Beobachterperspektive kann so interessant sein, so inspirierend … so: entrückt.
Denn natürlich sieht es ganz anders aus, wenn ich selbst mit unserer Großen aneinandergerate. Auseinandersetzungen zwischen Müttern und heranwachsenden Töchtern schlagen ja manchmal derartig Funken, dass schlimme Brandgefahr angezeigt ist. In solchen Momenten fehlt mir der Sinn für die feurige Schönheit weiblicher Wut. Und ich habe dann auch kein Interesse an mystischen Querverweisen. Nein. Wenn ich selbst mit der aufblühenden Jugend aneinandergerate, will ich einfach nur Ruhe, Raum und Respekt. Aber hey, Mütter sind auch nur Menschen. Und keine krassen Göttinnen.
© John Krempl/photocase.com
Frau Karli lebt zusammen mit ihren beiden Töchtern und ihrem Mann, der zugleich ihre Jugendliebe ist, in freundlichen Verhältnissen irgendwo im Raum Köln. Sie beherrscht das gesamte Alphabet, hält herzlich wenig von medialer Freizügigkeit und kann alle Familienmitglieder am Duft ihrer Stirn erkennen.
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