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Gesundheit

Wie ich zum Veggie wurde ...

Golrokh Esmaili · 19.03.2016

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Vegetarisch tafeln © iStockphoto KarpenkovDenis

Vegetarisch tafeln © iStockphoto KarpenkovDenis

Den prall gefüllten Wurstteller vor der Nase gebe ich dezent weiter. Scheinbar nicht dezent genug, denn ein  kantiger Freund meines Bruders fragt: Ach, isst du kein Fleisch? Ich: Nö. Er: Stimmt – hab’ ich auf Facebook gesehen. Du postest da manchmal so Sachen ... Ich: Jepp – kannst mich ja verbergen, wenn du’s nicht sehen willst. Er: Warum isste denn kein Fleisch? Ich: (mit Blick auf den Grillteller voller toter Tiere, aber aus Respekt vor den Fleischliebhabern) Ach, lange Geschichte. Ist vielleicht nicht der richtige Moment, das zu erzählen ...

Während unserer Konversation und des Verspeisens meiner mitgebrachten Nudeln sehe ich aus den Augenwinkeln, wie sich die Jungs vielsagende Blicke zuwerfen. Das stört mich allerdings wenig, denn Fragen wie diese werden mir oft gestellt. Obwohl Vegetarier-Sein nichts besonderes mehr ist. Denn heute bin ich nur einer von 7 Millionen Menschen in Deutschland, die sich fleisch- und fischlos ernähren. Fischlos lebe ich seit 20 Jahren. Zeitgleich mit dem geschenkten Aquarium und den darin lebenden Fischen, denen ich allen einen Namen verpasste, konnte ich natürlich keinen Fisch mehr essen.

Meine Umstellung auf einen komplett fleischlosen Speiseplan kam auch von jetzt auf gleich. Ein Tag, den ich mir gut merken kann, weil es der zweite Geburtstag meiner Tochter war. Nach Kindergeburtstagsstress und -feierei habe ich mich abends ausgeklinkt, bin zum Bioladen meines Vertrauens geschlendert, um in Ruhe und ausgiebig zu shoppen. Das eigentlich nur, um mich ums ‚Überdrehtes-Kind-ins-Bett-bringen’ zu drücken. Und dort ist es passiert. Irgendein Schalter in einer mir unbekannten Hirnregionen hat sich umgelegt und das, was ich schon lange wusste, fand seinen Weg in mein Bewusstsein ...

Eigentlich ging alles ganz schnell: An der Kasse liegen Unterschriftenlisten gegen Tierversuche. Ich unterschreibe und werde von einem fremden Mann angesprochen. Er fragt, ob ich mich auch sonst für Tiere engagiere und ob ich mich fleischlos ernähre. Mein zurückhaltendes ‚Nö’ führt zu einem Gespräch. Nach einer Stunde Zuhören und mit dem Vorsatz, nie wieder Fleisch zu konsumieren, gehe ich nach Hause und verkünde meinem Mann meinen neuen Lifestyle. Da es bei uns fast täglich Fleisch gab und eine fleischlose Mahlzeit für mich keine Mahlzeit war, hat er meinen Entschluss nicht ganz so ernst genommen, wie ich es mir gewünscht hätte. Damals – ich bin ehrlich – bewogen mich allerdings noch keine ethisch-moralischen Ansätze zum Fleischverzicht sondern ganz profan: der Ekel. Aber das erspare ich euch an dieser Stelle.

Gesunde Ernährung, Biokost, Vollwert – all das war in meinem ersten Leben – also VOR meiner Schwangerschaft kein Thema. Mit dem Verlauf der Schwangerschaft spürte ich zum ersten Mal immer stärker, was meinem Körper gut tat und was nicht. Fast-Food Restaurants konnte ich aufgrund akuter Schwangerschaftsübelkeit nicht mehr betreten. Jeden Tag ein Glas frisch gepresster O-Saft wurde zum Ritual. Dann kam der nächste Schritt meiner Ernährungsbiografie: das Stillen. Immer im Kopf: Das Kind trinkt ja alles mit. Ein halbes Jahr später erreichte mein Kind das magische Beikostalter. Ich besuchte ein Beikostseminar, kaufte ab sofort nur noch Biokartoffeln und Biomöhren zum fröhlichen Vermanschen und hatte ein reines Gewissen. Ab diesem Zeitpunkt schlichen sich mehr und mehr Bioprodukte in unsere Küche. Dann fair gehandelte. Eine Bio-Kiste aus der Region wurde abonniert. Ein Agrarwirt erklärte mir mal in einem Gespräch, dass das Bewusstsein bezüglich nachhaltigen Essens und bewusster Nahrungsaufnahme bei vielen Menschen erst mit dem Nachwuchs einsetzt. Aus Erfahrung kann ich schreiben: Das stimmt!

Mit den Jahren habe ich mich immer mehr mit dem Thema auseinandergesetzt. Und heute - nach vielen Büchern die ich gelesen und vielen Filmen, die ich gesehen habe - kann die einzige logische Konsequenz der Fleisch und Fischverzicht sein. Es macht für mich keinen Unterschied mehr, ob auf dem Teller ein totes Stück von einem Rind liegt oder ein Hund. Was macht den Unterschied zwischen den beiden? Je mehr ich weiß und erfahre, desto sicherer werde ich in meiner Entscheidung. Und natürlich möchte ich es auch mit meinem Kind richtig machen. Heute – im 21. Jahrhundert angekommen – bin ich keine Ausnahme mehr als Vegetarierin. Vor einigen Jahrzehnten waren die Zahlen noch ganz andere. Früher rieten Ernährungswissenschaftler der Menschheit vom Fleischverzicht ab. Gerade Kindern, Schwangeren und älteren Menschen wurde geraten, Fleisch zu essen. Heute gibt es viele Studien, die belegen: Vegetarier sind schlanker, gesünder und leben sogar länger als Fleischkonsumenten. Sie leiden weniger oft an hohem Blutdruck, Diabetes, Gicht und sie erkranken seltener an Krebs. Aber um realistisch zu bleiben: Es liegt wahrscheinlich nicht nur am Fleischverzicht sondern vielmehr am allgemein bewussteren und gesünderen Lebensstil eines Vegetariers.

Es sei denn man ist ein Pudding-Vegetarier, dann macht der Fleischverzicht wenig Sinn. Denn das ist nämlich die Krux an der Sache. Als Pudding Vegetarier führt man dem Körper zu wenige oder nur einseitige Nährstoffe zu. Vegetarier ist nämlich nicht gleich Vegetarier. So verzichtet der Ovo-Lacto-Vegetarier (Eier-Milch-Vegetarier) auf Fleisch und Fisch; Eier und Milchprodukte werden gegessen. Die meisten Vegetarier starten mit dieser Ernährungsform. Der Lacto-Vegetarier (Milch-Vegetarier) verzichtet zusätzlich auf Eier; Milchprodukte werden konsumiert. Die Lacto-Vegetarier empfinden Eier als Fleischkost. Der Ovo-Vegetarier (Eier-Vegetarier) verzichtet auf Milch, konsumiert aber Eier. Und dann gibt es noch die Veganer – die verzichten auf alles, was Tier ist und vom Tier kommt. Daher kaufen Veganer weder Leder- oder Wollartikel noch Kosmetika und Reinigungsmittel, welche tierische Bestandteile haben oder an Tieren getestet worden sind. Heute leben fast 800.000 Menschen in Deutschland vegan.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. steht der veganen Lebensweise kritisch gegenüber und rät davon ab, Kinder vegan zu ernähren. Sie sprechen sich aber nicht gegen einen grundsätzlichen Fleisch- und Fischverzicht aus. Wichtig sei nur die Form der vegetarischen Kost. Entscheiden sich Eltern oder Kinder für eine ausgewogene und abwechslungsreiche ovo-lacto-vegetarische Ernährung – ohne Fleisch und Fisch, aber mit Eiern und Milchprodukten – so kann diese als Dauerkost empfohlen werden. So heißt es weiter „Je mehr die Lebensmittelauswahl eingeschränkt wird und je weniger abwechslungsreich die Ernährung ist, desto größer ist die Gefahr eines Nährstoffmangels.“ Klar, jeden Tag ein Steak auf dem Teller ist rein gesundheitlich betrachtet wahrscheinlich genauso ungesund wie täglich Nudeln mit Sahnesauce. Wer sich und seine Familie vegetarisch ernährt, sollte ausgewogen essen. Erst mit meiner neuen Lebensweise lernte ich die Bandbreite der Linsen kennen. Und Hülsenfrüchte sind mittlerweile zu einer wichtigen Grundlage für unsere Familie geworden. Quinoa, Bataten und Pastinaken – kannte ich alles nicht! Eine Schande! So stellten sich also nach und nach meine Kochgewohnheiten um. Das blieb natürlich auch in meinem Freundeskreis nicht unentdeckt!

Da mir als Veggie gerade von denen viele Fragen gestellt wurden und ich meine Argumente schärfen wollte, las ich einige Bücher, die ich später noch vorstellen werde. Für den Einstig war Karen Duves  „Anständig Essen“ genau das Richtige: Keine wissenschaftlichen Theorien sondern ein persönlicher Selbstversuch. Schicksalshaft erreichte mich dieses perfekte Buch für Einsteiger kurz nach meiner Entscheidung, fleischlos glücklich zu sein. Eine Kollegin hatte es im Gepäck. Innerhalb von zwei Tagen hatte ich es durch und wusste: Ich bin auf dem richtigen Weg. Dann wollte ich es aber noch genauer wissen und suchte mir ein eher wissenschaftliches Buch: Vegetarische Ernährung von Leitzmann und Keller. Ich blätterte mich zu den für mich interessanten Stellen durch und verschaffte mir immer mehr Infos: Wusstet ihr zum Beispiel, dass man um ein Kilo Fleisch „zu produzieren” bis zu 22 Kilo Getreide und mehr als 50.000 Liter Wasser verbraucht? Außerdem stecken in einem Kilo Rindfleisch so viele Emissionen, wie in einer Autofahrt von 250 Kilometer, so viel Energie wie im 20-tägigen Betrieb einer 100W Glühbirne und so viel Wasser, wie im Jahresverbrauch bei täglichem Duschen. Diese Informationen, gepaart mit Bildern aus der Massentierhaltung, machten meinen Fleischverzicht zu einer logischen Konsequenz. Ich zäumte das Pferd von hinten auf. Erst der Fleischverzicht, dann die Infos. Erst der Ekel und dann die Ethik.

Da auch ich meine Zeit brauchte, versuche ich meine Mitmenschen nicht allzu sehr mit dem Thema zu nerven. Mein Kind beispielsweise mag eigentlich kein Fleisch im Essen. Aber sie liebt Würstchen. Und zwischendurch gibt es auch mal Würstchen. Vom Biometzger meines Vertrauens. Irgendwann wird sie alt genug sein und sich selbst mit dem Thema auseinandersetzen. Dann soll und kann sie selbst entscheiden. Im Kindergarten gibt es übrigens gar kein Fleisch. Aber ausgewogene Alternativen. Was den Fleischkonsum meiner besseren Hälfte angeht: Auch hier missioniere ich nicht. Aber ich bereite weder Fisch noch Fleisch zu. Auch nicht für Gäste. Und wer uns besuchen kommt, kann sich an der fleischlosen Variante des leckeren Essens erfreuen. Unsere Freunde haben sich schnell daran gewöhnt und meine Mama – sie ist sowieso die Beste – kocht jetzt ihre Speisen in zwei Töpfen. Einmal mit und einmal ohne Fleisch. In der Hoffnung, dass meine Entscheidung nur eine Phase ist. Wie mit 16. Da hielt die Phase allerdings nur vier Wochen. Diesmal dauert sie länger an und geht bald ins vierte Jahr. Und der Rest der Familie? Die schielen neidisch auf mein Essen und fragen – wie beim letzten Besuch bei meiner Mutter – ob sie noch einen fleischlosen Nachschlag bekommen können. Na also – geht doch!

Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.
Die DGE trägt ernährungswissenschaftliche Forschungsergebnisse zusammen und stellt sie zur Verfügung und spricht Empfehlungen aus. Die Empfehlungen sind wissenschaftlich fundiert, aktuell, richtungsweisend und in die Praxis umsetzbar.

Vegetarierbund Deutschland
Der Vegetarierbund Deutschland (VEBU) ist bereits seit 1892 die größte deutsche Interessenvertretung für vegetarischen und veganen Lebensstil. Die Webseite bietet jede Menge Infos und Hintergrundwissen zum Thema. Unter dem Motto „leben und leben lassen“ leistet die Organisation Kampagnenarbeit und setzt sich für Ausbau und Verbesserung von vegetarischen Angeboten ein. Beim VEBU findet ihr praktische Unterstützung wie z.B. den Veggie-Newsletter, der Neu-Vegetariern die ersten 30 Tage beim Einstieg in ein fleischfreies Leben unterstützt. Für die Recherche des Textes habe ich gefühlte zwanzig Mal beim VEBU angerufen und jedes Mal wurden mir freundlich und sehr geduldig kompetente Antworten gegeben.

Online Shop – alles Vegetarisch
Auf www.alles-vegetarisch.de finden vegetarisch und vegan lebende Menschen alles was das Herz begehrt. Alle Artikel sind vegan – selbst das Tierfutter – zum größten Teil bio und auf jeden Fall Gen-Frei.

Tofufamily
TofuFamily ist ein Infoportal für vegane und vegetarische Familien. Hier findet ihr Kontakt zu anderen Familien.

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