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Gesundheit

Vegan mit Kindern

Thea Wittmann · 27.10.2016

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Gemüse einkaufen macht Spaß © istockphoto.com vm

Gemüse einkaufen macht Spaß © istockphoto.com vm

Vegan leben, das betrifft nicht nur das Essen, sondern alle Lebensbereiche. Aus welchen Gründen entscheiden sich immer mehr Menschen gegen Fleisch und tierische Produkte? Und ist der Veggie-Style auch mit Kindern praktikabel?

Vegan essen ist in. Die einen tun’s aus gesundheitlichen Gründen, die anderen aus einem ethischen Anspruch: Kein Tier soll leiden oder sterben, nicht für unser paniertes Schnitzel, unser Rührei, unseren Milchschaum. Regenwälder sollen nicht Weideflächen weichen müssen. Wenn alle so denken würden, wäre die Welt dann nicht ein ganzes Stück besser? Oder ist der Vegan-Trend ein großes Geschäft, bei dem an Kochbüchern, Nahrungsergänzung und Lifestyle-Produkten kräftig verdient wird?

Fakt ist: Der Veggie-Boom hält an.

Laut Daten des Vegetarierbundes Deutschland e.V. (vebu) sind in Deutschland fast acht Millionen Menschen Vegetarier und rund 900.000 Menschen leben ganz oder zeitweise vegan – und ihre Zahl steigt. In Köln gibt es inzwischen 14 vegetarische Restaurants, acht davon bieten nur vegane Speisen. Wir können Burger essen, die keine Faser Fleisch enthalten. In Eisdielen gibt es Eiscremesorten wie Banane, Tonkabohne, dunkle Schokolade ohne Milch und Sahne. Sojawürstchen bekommen wir nicht mehr nur im Bioladen. „Das Angebot wird spürbar größer und auch besser – sowohl in Supermärkten als auch in Restaurants und Geschäften“, sagt Wiebke Unger vom vebu.

Geht das: Vegane Kids?

Veganismus ist ein Zankapfel – vor allem, wenn es um Kinder und deren Ernährung geht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat im April ihr Positionspapier zur veganen Ernährung überarbeitet. Für Schwangere, Stillende, Säuglinge, Kinder und Jugendliche gilt: „Da das Risiko eines Nährstoffmangels in den sensiblen Lebensphasen als hoch eingeschätzt wird, hat sich die DGE auf Grundlage der verfügbaren Daten entschieden, eine vegane Ernährung für diese Bevölkerungsgruppen nicht zu empfehlen.“ Sie lehnt diese allerdings – und das ist neu – auch nicht mehr kategorisch ab und gibt konkrete Handlungsempfehlungen für Menschen, die sich tierfrei ernähren möchten.

Für Veggies oft ein Problem: Mittagsessen in Kita und Schule

Auf Basis der Empfehlungen der DGE werden Speisepläne erstellt, zum Beispiel für Schulküchen, Caterer oder Kitas. Vegetarische Alternativen zu Bratwurst & Co in Kindergärten und Schulen gibt es, sie sind aber nicht überall selbstverständlich. „Oft sollen die Eltern trotzdem die Verpflegungspauschale zahlen, also das aus ihrer Sicht unethische Essen der anderen mitfinanzieren“, sagt Unger.

„Die städtischen Kindertagesstätten werden in vollem Umfang mit Mittagessen von verschiedenen Caterern beliefert“, erklärt Karsten Betz, Abteilungsleiter Tageseinrichtungen und Tagesbetreuung für Kinder beim Jugendamt der Stadt Köln. „Jede Kita-Leitung entscheidet über die Art des Essens und bezieht natürlich die Bedarfe und Wünsche der Kinder in ihre Entscheidung mit ein. Frisches Obst, Gemüse und Salat werden täglich ergänzend bereitgestellt.“

Wer selbst kocht, hat auch selbst in der Hand, was auf den Teller kommt. Zum Beispiel geht‘s in der Kita auch ganz ohne Fleisch, vorausgesetzt, es sind alle einverstanden. „Die Entscheidung der Eltern, rein vegetarisch zu kochen, wurde immer wieder bekräftigt, auch wegen immer neuer Fleischskandale“, sagt Gabriele Muskat-Ibrahim, Leiterin einer Kölner Elterninitiative. „Schwierig wird es dort, wo die Kinder ausdrücklich etwas anderes wollen. Dann trifft die Kita Kompromisse.“

Wenn bei einem Ausflug vor Ort der Aufschnitt auf dem Tisch steht, würden die Kinder nur schwer verstehen, dass sie die Fleischwurst liegen lassen sollen. Das Problem, dass den Kindern tierisches Eiweiß fehlen könnte und das Kita-Essen allein den Ausgleich schaffen muss, taucht nicht auf. „In den meisten Haushalten gibt es entweder Fleisch oder die Eltern sorgen anderweitig für Ausgewogenheit“, so Muskat-Ibrahim.

Ernährungsberatung für vegane Familien

Nach verlässlichen Tabellen und Speiseplänen für Veganer – im Gegensatz zu Vegetariern – müssen Eltern aufmerksam suchen. Ernährungsberaterin Carmen Hercegfi aus Hamburg will diese Lücke schließen. Sie hat sich auf Ernährungsberatung für vegane Familien spezialisiert. Im kommenden Jahr erscheint ihr Buch „Vegan in anderen Umständen“ für Schwangere.
Ganz ohne Tierisches gesund bleiben? „Selbstverständlich geht das“, so die Ernährungsfachfrau und nennt einige Beispiele: Für Gehirnentwicklung und Nervensystem sind Omega-3-Fettsäuren essenziell.

Veganer können sie in Form von gelatinefreien Kapseln oder angereichertem Leinöl zu sich nehmen. Proteine liefert nicht nur Fleisch. Auch Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen enthalten Eiweiße. Ein Vollkornroggenbrot mit Sauerteig bietet schnell verfügbare Mineralstoffe. Vitamin B12 gibt‘s als Tropfen oder Lutschtabletten, Eisenpräparate als Saft.

„Vegan essen ist eine sinnvolle Ernährungsweise“, sagt sie. „Ich finde es unmöglich, dass man auf den Vegetariern oder Veganern so herumhackt.“ Doch der Veggie-Trend habe auch seine Tücken: „Es gibt eine Vielzahl an Veggie-Fertigprodukten. Das ist dem Hype geschuldet und erweckt den Anschein, vegan zu leben sei easy“, sagt Hercegfi. Und: Viele Hersteller sprängen nicht aus ethischem Anspruch auf den Vegan-Zug auf, sondern weil die Nachfrage groß sei. „Wenn ein Wurstproduzent plötzlich auch vegane Produkte in sein Programm aufnimmt, sollte man dessen Motivation hinterfragen“, meint sie.

Für Ernährungslaien schwierig

Prof. Mathilde Kersting, Leiterin des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund sieht noch eine andere Kehrseite des Booms: „Die Bezeichnung „vegan“ kann suggerieren, das Nahrungsmittel sei besonders gut oder besonders gesund.“ Das könne ein Nahrungsmittel hochwertiger erscheinen lassen, als es tatsächlich ist und so bewusst in die Irre führen. Zum Beispiel bei veganem Pflanzenöl. „Was soll an Pflanzenöl nicht vegan sein?“, fragt Prof. Kersting. Auch bei angereicherten Lebensmitteln, etwa Sojadrinks als Milchersatz, falle Laien die Bewertung schwer: Sind die wesentlichen milchtypischen Nährstoffen darin enthalten? Reichen diese Mengen aus? „Eltern müssten fast schon Ernährungswissenschaftler sein, um das zu durchschauen und die richtige Zusammensetzung zu wählen“, sagt sie. Zudem hält Prof. Kersting viele Ratschläge zur veganen Ernährung im Internet für fragwürdig.

Skeptisch ist sie auch im Bezug auf Studien, die belegen sollen, dass Vegetarier aufgrund ihrer Ernährung gesünder sind: „Vegetarier haben meist insgesamt einen gesünderen Lebensstil als Nicht-Vegetarier: Sie sind sportlicher, rauchen weniger, essen weniger Zucker. Das verzerrt das Bild.“ Ihr Fazit: Vegan ist möglich – aber nur, wenn sich Eltern fachlich beraten lassen und den Kinderarzt in ihr Ernährungskonzept einbeziehen.
„Man wird womöglich Wege finden, ein Kind vegan ausreichend zu ernähren, wenn das Kind und die Familie engmaschig betreut werden“, erklärt Kersting. „Aber die empfehlenswerte Kinderernährung ist nicht vegan, sondern eine optimierte Mischkost, das heißt eine Ernährung auf pflanzlicher Basis mit einem moderaten Anteil von Fleisch und tierischen Lebensmitteln. Weicht man davon ab, muss man sich dessen bewusst sein.“

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