Gesundheit
Juckt mich doch nicht!
Anja Janßen · 14.07.2014
zurück zur ÜbersichtJuckende Haut © istockphoto / grinvalds
Die Augen jucken, die Nase läuft, das Atmen fällt schwer – Im Frühling wie im Sommer sitzen viele Eltern mit ihren Kindern beim Arzt. Frühblüher, und die besonders aggressive Beifuß-Ambrosie setzen zunehmend auch Kleinkindern zu. Spielen an der frischen Luft kann da schnell zum Stresstest werden, Luftnot und Juckreiz hindern am Ein- und Durchschlafen. Die Flut an Informationen über Allergien lässt nur erahnen, wie komplex und kontrovers dieses Thema ist. Eltern, die sich gründlich informieren, stehen meist vor vielen Fragen. Wächst sich Heuschnupfen aus? Sollen wir auf Medikamente oder lieber Hyposensibilisierung setzen? Welche alternativen Heilmethoden helfen? Und was zahlt eigentlich die Krankenkasse?
Allergie: die Auslöser kennen
Eine Allergie ist eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf eigentlich harmlose Stoffe in der Umwelt. Zu den häufigsten Allergien zählt die Pollenallergie. Die Reaktionen umfassen allerdings nicht immer nur die oben beschriebenen Symptome eines klassischen Heuschnupfens. Pollen können beispielsweise auch Hautausschläge bei Neurodermitis verstärken oder Durchfälle begünstigen. Am zweithäufigsten reagieren Allergiker auf Hausstaubmilben. Gefolgt von Schimmelpilz und Tierhaaren. Worauf genau ein Kind reagiert, stellt ein Allergologe fest. Über spezielle Tests wie Blutuntersuchungen oder den Prick-Test lassen sich die genauen Auslöser ermitteln. Beim Prick-Test werden verschiedene Allergie-Extrakte auf Einstiche am Unterarm aufgetragen. Beginnen die Einstiche zu jucken oder anzuschwellen, liegt eine allergische Reaktion vor. Vertreter alternativer Heilmethoden bemängeln, dass der Prick-Test durch die unnatürlich hohe Konzentration der Extrakte Allergien sogar auslösen könne. Diese Annahme ist allerdings wissenschaftlich nicht belegt.
Kreuzallergie: Gleich und gleich gesellt sich gern
Manche Pollenallergiker reagieren während der Saison auch auf bestimmte Lebensmittel. So können beispielsweise nach dem Verzehr eines Apfels plötzlich Mund und Rachen kribbeln oder durch Gewürze Durchfälle auftreten. Der Grund: Bestimmte Pollen und Nahrungsmittel zeigen ähnliche Eiweißstrukturen. Das Immunsystem hält dann beispielsweise einen Apfel irrtümlich für eine Haselpolle und schlägt Alarm. Diese „Kreuzallergien“ sind nicht zwingend, aber laut dem Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) zeigt jeder zweite Allergiker, der auf Birkenpollen reagiert, solche Reaktionen. Die häufigsten Kreuzallergien bestehen zwischen
- Frühblühern (Hasel, Birke, Erle) und Nüssen, Äpfeln, Birnen, Pfirsichen, Pflaumen, Kirschen, Mandeln
- Gräsern, Getreide und Tomaten, Pfefferminz, Sojabohnen, Erdnüssen
- Beifuß und Kräutern, Gewürzen, Sellerie
Kreuzallergien können - müssen aber nicht - mit Ende der Pollensaison nachlassen.
Ursachen: Zu viel Hygiene oder zu viele Schadstoffe?
Warum immer mehr Kinder an Allergien erkranken, ist strittig. Manche Experten gehen davon aus, dass Kinder heute zu hygienisch aufwachsen. Das Immunsystem müsse sich nicht mehr gegen Parasiten wehren und habe zu wenig zu tun. So kämpfe es gegen harmlose Substanzen aus der Umwelt. Tatsächlich scheint eine Studie über Kinder auf Bauernhöfen diesen Ansatz zu bestätigen. Eine andere Hypothese: Durch den Anstieg der Ozonkonzentration wirken Pollen aggressiver. Zudem könnte durch vermehrte Schadstoffe in der Umwelt der Organismus geschwächt und damit insgesamt gefährdeter sein.
Studie: Bauernhofkinder sind robuster
Bauernhofkinder erkranken seltener an Pollenallergie und Asthma. Das bestätigen mehrere Untersuchungen aus der Schweiz. Eine Studie mit über 900 Kindern aus der Schweiz, Deutschland und Österreich unter der Leitung von Dr. Roger Lauener, Allergologe am Kinderspital Zürich, zeigte: Kinder, die sich häufig im Stall aufhalten und frische Milch vom Hof trinken, erkranken seltener an Heuschnupfen und Asthma. Für diesen „Bauernhof-Effekt“ machen die Wissenschaftler Endotoxin, einen Bestandteil bestimmter Bakterien auf den Höfen verantwortlich. Je mehr davon in der Umgebung auftritt, desto weniger leiden die Kinder an Allergien. Dieser positive Effekt soll aber nur vorbeugend wirken. Kinder, die bereits Heuschnupfen haben, können ihn laut der Experten aus Zürich nicht auf einem Hof einfach auskurieren.
Veranlagung: Allergien treten familiengehäuft auf
Leiden schon die Eltern an Allergien, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch ihr Kind Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis entwickelt. Das höchste Risiko haben Kinder, deren Eltern beide die gleiche Erkrankung zeigen. Laut des Deutschen Allergie- und Asthmabunds berechnet sich das Allergierisiko eines Kindes wie folgt:
- Kein Elternteil allergisch: 0–15 Prozent Allergierisiko
- Ein Geschwisterteil allergisch: 25–30 Prozent
- Ein Elternteil allergisch: 20–40 Prozent
- Beide Elternteile allergisch: 50–60 Prozent
- Beide Elternteile allergisch mit derselben Allergie: 60–80 Prozent
Ob bei einem Kind die Allergie, das Asthma oder die Neurodermitis ausbrechen, hängt von verschiedenen Umweltfaktoren ab. In jedem Fall können Eltern etwas gezielt zur Vorbeugung unternehmen.
Vorbeugung: Stillen ist besonders wichtig
Da Allergien zunehmen, hat ein Rat aus Medizinern und anderen Fachleuten „medizinische Leitlinien zur Allergieprävention“ entwickelt. Die Experten empfehlen untern anderem:
- Nicht Rauchen
- Ausschließliches Stillen für vier Monate. Falls Stillen nicht möglich ist, Risikokindern hydrolysierte Säuglingsnahrung geben
- Spätestens ab dem sechsten Lebensmonat Beikost einführen (pro Monat ein neues Lebensmittel)
- Kein Nahrungsmittel diätisch weglassen
- Fischkonsum im ersten Lebensjahr hat eine Schutzfunktion
- Bei Risikokindern keine Haustiere, vor allem keine Katzen
- Lüften (Schimmel vorbeugen)
- Keine übertriebene Reinlichkeit
- Gute Anspannungs-Entspannungsbalance (Stress kann Allergien auslösen)
Allergieverlauf: vom Schnupfen zum Asthma
Nicht selten verlagert sich der Heuschnupfen nach einigen Jahren einfach eine Etage tiefer. Auf den Bronchien bildet sich zäher Schleim, beim Einatmen ist ein pfeifendes Geräusch hörbar. Viele Pollenallergiker entwickeln allergisches Asthma. Das wiederum kann zu einer allgemeinen Empfindlichkeit der Bronchien führen. Die Betroffenen reagieren dann auch auf nichtallergische Auslöser, wie kalte Luft, Anstrengung oder Zigarettenrauch. Eltern sollten die Pollenallergie ihres Kindes also nicht unterschätzen und frühzeitig ärztlich behandeln lassen.
Behandlung: Der Ursache auf den Grund gehen
Um sich vor Symptomen zu schützen, sollten Allergiker ihre Auslöser kennen und meiden. Doch das ist bei einer Pollenallergie nur bedingt möglich. Um wirklich an der Ursache anzusetzen, empfehlen Mediziner die Hyposensibilisierung, auch spezifische Immuntherapie genannt. Sie gilt als die einzige Ursachentherapie, deren Wirkung wissenschaftlich belegt ist. Hier wird das Allergen mittels Spritze oder Tropfengabe in dosierter Form zugeführt. So kann sich der Körper langsam an das Allergen gewöhnen. Lassen Eltern auf diese Weise die Hauptallergie ihres Kindes behandeln, können sie möglicherweise auch Kreuzallergien verhindern. Die Hyposensibilisierung kann zwischen ein bis drei Jahre dauern und ist keine Lösung auf die Schnelle.
Für die „erste Hilfe“ gegen quälende Symptome müssen Eltern in der Regel zu Tabletten, Nasensprays, Augentropfen und Asthma-Sprays greifen. Hier gibt es verschiedene Wirkstoffe. Antihistaminika und in schweren Fällen Kortison lindern allergische Reaktionen. Der Wirkstoff Di-Natrium-Cromoglicat (DNCG) hingegen verhindert, dass es überhaupt zu einer allergischen Reaktion kommt. Eingenommen alle vier Stunden über Sprays oder Tropfen, hindert das DNCG Allergene daran, überhaupt erst in die Schleimhäute einzudringen. Um Pollen bedingt zu meiden, empfehlen Experten:
- In der Stadt nur morgens lüften, denn dann ist die Pollenkonzentration geringer
- Auf dem Land abends lüften
- Vor dem Zubettgehen Haare waschen und Straßenkleidung nicht im Schlafzimmer lagern
- Pollenschutzgitter am Fenster
- Beim Autofahren die Fenster geschlossen lassen
- Pollenfilter regelmäßig wechseln
- Staubsauger mit Allergiefilter
Alternativen: Akupunktur soll bei Pollenallergie helfen
In einer Studie an der Berliner Charité erhielten Pollenallergiker über acht Wochen hinweg zwölf Sitzungen Akupunktur. Der Heuschnupfen verringerte sich deutlich, die Patienten benötigten weniger Medikamente. Einen Placebo-Effekt können die Wissenschaftler aber bisher nicht vollständig ausschließen. Weitere beliebte begleitende Verfahren bei Pollenallergie sind: Atemtherapie, autogenes Training und Psychotherapie. Daneben gibt es Eigenblutbehandlung, Bioresonanztherapie, Pendeln und Bachblütentherapie. Die Wirksamkeit dieser Methoden ist allerdings wissenschaftlich nicht belegt.
Kosten: Für Kinder zahlen Krankenkassen mehr
Für die in der Schulmedizin anerkannte Hyposensibilisierung übernehmen gesetzliche Krankenkassen die Behandlungskosten. Nicht verschreibungspflichtige Medikamente oder alternative Heilmethoden müssen Patienten in der Regel selbst zahlen. Doch für Kinder bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen häufig Kosten. Auch Pollenschutzgitter oder spezielle Matratzenbezüge werden im Einzelfall bezahlt. Zudem können Eltern Anträge für Kuren in den pollenarmen Region der Nordsee oder des Hochgebirges beantragen. In jedem Fall lohnt es sich bei der eigenen Krankenkasse nachzufragen.
Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V. (DAAB)
Fliethstr. 114, 41061 Mönchengladbach
Tel. 02161 – 81 49 40
Deutsche Haut- und Allergiehilfe e.V.
Heilsbachstr. 32, 53123 Bonn
Tel. 0228 – 36 79 10
Therapie & Akademie Schwelmer Modell GmbH
Wissenschaftlich anerkanntes Therapiezentrum bei Neurodermitis, Asthma und Allergien
Wilhelmstr. 45, 58332 Schwelm
Tel. 02336 – 479 80
Im Netz
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Pollentrend des Deutschen Allergie- und Asthmabunds
Stiftung Deutscher Pollen-informationsdienst
Polleninfo der Medizinischen Universität Wien
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Lungeninformationsdienst des Helmholtz Zentrums München