Gesundheit
So schützt ihr eure Kinder vor dem Ertrinken
Lisa Böttcher · 25.06.2025
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Insbesondere Seen und Flüsse können gefährlich werden @ Oksana/AdobeStock
Der Sommer ist da, die Temperaturen steigen und die Menschen – kleine wie große – sehnen sich nach einer Abkühlung. Ab ins kühle Nass. Ein wenig schwimmen, ein bisschen planschen oder einfach am Beckenrand entspannen. Vorausgesetzt am Beckenrand ist noch Platz. Denn mit den steigenden Temperaturen wird auch der Andrang auf die Freibäder größer.
Manch einer versucht dem Sardinenbüchsengefühl im Schwimmbad zu entkommen, indem er sich ein nettes Plätzchen am nächstgelegenen See sucht oder den Badeausflug gar ans Rheinufer verlegt. Das kann allerdings gefährlich werden – insbesondere für Kinder.
Kinder ertrinken schnell und leise
Martin Holzhause leitet die Pressestelle der DLRG (Deutsche-Lebens-Rettungs-Gesellschaft). Er erklärt: „Kleinkinder haben im Wasser überhaupt noch keine Abwehrreaktionen. Wenn sie selbst in flachen Gewässern oder Planschbecken mit dem Gesicht im Wasser landen, können sie sich nicht selbstständig umdrehen oder aufbäumen“. Stattdessen passiere etwas Anderes: der sogenannte Stimmritzenkrampf. Dabei verhindere der Körper, dass Wasser in die Lunge gelange. Aber auch das Atmen ist dann nicht mehr möglich und das Kind erstickt.
Größere Kinder hätten zwar die körperlichen Voraussetzungen, sich aus solch einer Situation zu befreien, doch dafür fehlen ihnen die Fertigkeiten. „Wenn Kinder, die nicht schwimmen können ins Wasser fallen oder in einem See in tiefes Wasser geraten, dann gehen sie auch sehr schnell unter“, erklärt Martin Holzhause. „Da findet dann auch kein sichtbarer Überlebenskampf und kein Um-Hilfe-Rufen statt. Sie ertrinken schnell und leise“. Das sei häufig auch bei Erwachsenen der Fall. Der Kopf sinkt immer wieder unter Wasser und es fehle schlichtweg die Kraft, sich bemerkbar zu machen.
Gefahren im Freigewässer – Schifffahrt und Abbruchkanten
Eine besondere Gefahr seien Freigewässer, so der Experte. „Wir haben eine schlechtere Sicht und häufig eine geringere Wassertemperatur, denn die Gewässer sind größer und tiefer“. Während sich die obere Wasserschicht schnell aufwärmt, bleibt die Temperatur unter der Oberfläche oft sehr niedrig. Dadurch kühle der Körper sehr viel schneller aus. „Viele Seen – auch der Badeseen – sind ausgebaggert. Das heißt, es gibt Abbruchkanten, an denen es steil hinab geht, oder abrutschende Uferbereiche, wo das Wasser sehr schnell sehr tief wird und man plötzlich nicht mehr stehen kann“.
Vor dem Baden im Rhein rät Martin Holzhause komplett ab. „Der Rhein ist mit der Elbe die größte Schifffahrtsstraße Deutschlands. Wenn man da in die Fahrrinne gerät, sehen die Schiffe einen nicht. Und wenn doch, dann können sie nicht mehr ausweichen oder bremsen“. Der Sog, der durch die Schiffe entstehe, sei außerdem sogar im Uferbereich gefährlich. „Das Wasser zieht sich zunächst zurück. Die Kinder laufen ihm etwas hinterher. Dann kommt die große Welle zurück Richtung Ufer und wirft das Kind um. Wenn das Wasser dann wieder in die Flussmitte fließt, nimmt es das Kind einfach mit“. Der Rhein sei wegen seiner starken Strömungen selbst für die besten Schwimmer gefährlich. Wenn man mitgerissen wird, können einem neben den Schiffen auch Brückenpfeiler und andere Wasserbauwerke zum Verhängnis werden. Deshalb rät die DLRG dringend davon ab, auch nur mit den Beinen ins Wasser zu gehen.
Rettung und Erste Hilfe
Besonders tragisch ist es, wenn man beobachtet, wie eine Person im Rhein ertrinkt. „In diesem Fall sollte man nicht versuchen, ins Wasser zu gehen“, so Martin Holzhause. „Denn sonst haben wir zwei Menschen, die um ihr Leben kämpfen“. Stattdessen sollte man den Notruf wählen und am Ufer mit der Person mitlaufen, wenn sie von der Strömung mitgerissen wird. So könne man den Rettungshelfer:innen genaue Informationen geben.
Im See, Pool oder Schwimmbad hingegen ertrinken insbesondere Kinder häufiger in flachem Gewässer. „Es geht bei der Rettung vor allem darum, schnell zu sein, das Kind erstmal zu packen und aus dem Wasser zu ziehen“. Als nächstes folge die Prüfung von Bewusstsein und Atmung. „Wenn das Kind nicht bei Bewusstsein ist, sollte man so schnell wie möglich einen Notruf absetzen und mit der Wiederbelebung beginnen“, erklärt der Experte. Es sei auch immer sinnvoll, Umstehende zu alarmieren und mit einzubeziehen. Wenn Rettungsschwimmer:innen in der Nähe sind, sollten sie so schnell wie möglich informiert werden. „Diese Menschen sind ja aktuell in Erster Hilfe ausgebildet und scheuen sich auch nicht, mit einer Reanimation zu beginnen“.
Doch auch, wenn das Kind nach der Rettung aus dem Wasser bei Bewusstsein ist, sollte ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden. Denn möglicherweise in die Lunge gelangtes Wasser kann selbst Stunden oder Tage nach dem Badeunfall noch zu sogenanntem sekundären Ertrinken führen. „Anzeichen dafür sind anhaltender Husten, eine Blaufärbung durch den Sauerstoffmangel, aber auch eine Atemnot oder ein Rasselgeräusch in der Lunge“, erklärt Martin Holzhause.
Regeln und Verhaltensweisen für Eltern
Damit es gar nicht erst so weit kommt, sollten Eltern oder andere Aufsichtspersonen die Kinder dauerhaft im Blick behalten und bei kleinen Kindern in Griffweite bleiben. „Eltern haben die Aufsichtspflicht für ihre Kinder, auch im Schwimmbad oder an bewachten Badestellen“, erinnert der DLRG-Pressesprecher. „Die Badeaufsicht kann nicht alle Personen gleichzeitig überwachen“. Außerdem sollten auch alle anderen Badegäste aufmerksam sein und auf ihre Mitmenschen achten, damit im Ernstfall schnell gehandelt werden kann. „Natürlich kann es sein, dass ein Kind mit Absicht regungslos auf dem Wasser treibt. Wenn man so etwas sieht, sollte man aber sicherheitshalber einmal mehr nachschauen“.
Davon abgesehen sollten sich Eltern an die Baderegeln halten, die auch Kinder im Schwimmunterricht lernen: Nur Schwimmen gehen, wenn man sich gut fühlt. Den Körper vor dem Schwimmen abkühlen. Bei Gewitter das Wasser verlassen und so weiter. Die Baderegeln können auf der DLRG-Webseite nachgelesen werden. Diese Regeln sollte man vor dem Badeausflug mit den Kindern durchsprechen und auch nur die Aufsicht über Kinder übernehmen, wenn man sich das zutraut.
Hilfsmittel und Abzeichen
Beim Baden in Freigewässern sollten sich Eltern der besonderen Gefahren, die es hier gibt, bewusst sein. Es ist hilfreich, wenn eine Bojenkette den flachen Bereich abgrenzt und Schilder vor plötzlicher Wassertiefe warnen. Schwimmhilfen wie Schwimmflügel oder -ringe seien zwar eine gute Unterstützung und ermöglichen auch Nichtschwimmer:innen ein bisschen Selbstständigkeit, bieten aber keinen Schutz vor dem Ertrinken. „Schwimmflügel können ja auch mal abrutschen. Und Kleinkinder können auch mit Schwimmhilfe mit dem Gesicht im Wasser landen. Sie treiben dann zwar an der Oberfläche, ersticken aber trotzdem.“
Das Schwimmabzeichen „Seepferdchen“ sei übrigens noch kein Grund, das Kind unbeaufsichtigt ins Wasser zu lassen. „Kinder mit Seepferdchen können sich nur kurze Zeit über Wasser halten“, erklärt der Experte. „Der Führerschein fürs Wasser ist das Schwimmabzeichen „Bronze“. Wenn Kinder das abgelegt haben, sind sie sicher im Wasser unterwegs, können ausdauernd schwimmen, auf bestimmte Situationen reagieren und haben auch ein Stück weit Selbstrettungskompetenzen“. Natürlich gilt diese Regelung nicht uneingeschränkt. Zumindest in Freigewässern sollten auch Kinder mit Bronzeabzeichen nicht ganz ohne elterliche Aufsicht schwimmen gehen.