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Familienleben

Wohnungslose Familien

Angelika Staub · 02.10.2014

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Dies ist ein Symbolbild und hat nichts den im Artikel genannten Personen zutun. © iStockPhoto.com/EvgeniiAnd

Dies ist ein Symbolbild und hat nichts den im Artikel genannten Personen zutun. © iStockPhoto.com/EvgeniiAnd

Wohnraum in Köln ist teuer. Immer mehr Familien können sich ein eigenes Heim nicht leisten. Sie werden wohnunglos. Unsere Autorin Angelika Staub hat mit Müttern gesprochen, die kein Zuhause haben.

Immer weiter öffnet sich auch in Köln und der Region die Schere zwischen Arm und Reich. Das zunehmende Ungleichgewicht spiegelt sich deutlich auf dem Wohnungsmarkt wider. Inzwischen kostet eine 100 Quadratmeter große Wohnung in der Rheinmetropole locker 1000 Euro Miete. Die Folge: Immer mehr Familien können sich ein Zuhause nicht mehr leisten. Sie werden wohnungslos.

Bundesweit leben rund 284.000 Menschen ohne Wohnung, davon etwa elf Prozent Kinder und minderjährige Jugendliche. In zwei Jahren wird sich die Zahl der Wohnungslosen um weitere 30 Prozent erhöht haben, schätzt der eingetragene Verein „Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe“. Die Experten berufen sich auf Erfahrungswerte und Beobachtungen. Eine offizielle Statistik existiert nicht, weder bundes- noch stadtweit.

Bezahlbarer Wohnraum ist knapp

„Die Wohnungsversorgung in Köln ist ein Problem“, bestätigt Anne Rossenbach vom Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Köln. Der Wohnungsmarkt sei „wahnsinnig angespannt. Es gibt nur wenig bezahlbare freie Wohnungen.“ Sie schätzt, dass alleine in Köln jährlich 4.000 Menschen in Wohnungsnot geraten, darunter auch Familien. Dirk Schumacher vom Amt für Soziales und Senioren der Stadt Köln teilt mit: „Die Wohnungsnotfälle mit Kindern belaufen sich zur Zeit auf 17 Parteien mit 26 Kindern, die in gewerblichen OBG-Unterkünften (OBG = Ordnungsbehördengesetz), also Einfachhotels, vorübergehend untergebracht sind.“

Der Abteilungsleiter, der unter anderem für die Fachstelle Wohnen verantwortlich ist, ergänzt: „Hier ist die Stadtverwaltung mit hoher Priorität und in der Regel innerhalb eines vertretbaren Zeitraumes um eine Anschlussversorgung in Wohnraum bemüht.“ Ihm sei keine einzige Familie bekannt, die in Köln auf der Straße lebt. Demnach gibt es in der Domstadt keine obdachlosen Familien. Bleibt noch die Frage, wie viele Familien wohnungslos sind, also kein Zuhause haben und vorübergehend bei Verwandten, Freunden, in Heimen oder anderen Unterkünften leben. „Genaue Zahlen liegen nicht vor“, antwortet Schumacher. „Uns liegt besonders am Herzen, dass Kinder nicht von Wohnungslosigkeit betroffen sind.“ Schließlich sei man sich der sonst drohenden gesundheitlichen Gefahren bewusst.

Schwanger auf der Straße

 

„Auf Kinder wirkt sich die Situation am schlimmsten aus“, bestätigt Diplom-Sozialpädagogin Sabine Degen-Jakobi. Seit fast zehn Jahren arbeitet sie in der Außenwohngruppe III des Elisabeth-Fry-Hauses in Kalk. Dort blickt WG-Mitglied Laura Schmitz* auf die vergangenen Monate zurück und erzählt: „Alles, was ich hatte, war verloren.“ Heute wiegt sie ihren fünf Wochen alten Sohn zufrieden im Arm.

In der 20. Woche schwanger landete die 24-Jährige ohne Hab und Gut auf der Straße. Vorausgegangen war ein „Missverständnis“ zwischen ihrem Partner, dem Vater ihres Säuglings, und ihr. Sie hatten bereits eine gemeinsame Wohnung in München gemietet als ihr irakischer Freund von seinem Arbeitgeber scheinbar plötzlich nicht nach Bayern sondern nach Rheinland-Pfalz versetzt wurde. Zwischen den beiden entbrannte Streit, woraufhin Schmitz die Kündigung ihrer Kölner Wohnung zurückzog. Vergeblich. Der Vermieter hielt daran fest. Schmitz haute ab.

Eine Anlaufstelle: die Diakonie Michaleshoven

Ihre Mutter entsorgte den Hausstand und kehrte ihrer Tochter den Rücken zu. Auch Freunde sprangen nicht bei. Obdachlos übernachtete Schmitz erst einmal auf dem Hauptbahnhof. In einem Fastfood-Restaurant, wo sie immer wieder eine Cola, dann einen Kaffee kaufte, nur um da bleiben zu dürfen, schossen der werdenden Mutter viele Gedanken durch den Kopf. Angst vor der Zukunft machte sich breit. Schmitz fürchtete um ihr ungeborenes Kind. Wie soll es gesund auf der Straße aufwachsen? Welche Zukunft hätte es dort? Würden sie beide jemals eine Wohnung finden?

Bei Morgengrauen fasste Schmitz einen Entschluss. Sollte sie bis zur Geburt in wenigen Monaten noch auf der Straße leben, würde sie ihr Kind zur Adoption frei geben. Noch wollte sie sich nicht geschlagen geben, sondern wählte am Morgen eine Frauenberatungsstelle an. Dort bekam sie einen Termin, allerdings erst nach einer weiteren Nacht. So lange wollte die werdende Mutter nicht warten. Nervös setzte sie via Internet einen Hilferuf ab. Ortskundige User des Chats meldeten sich und wiesen auf das Elisabeth-Fry-Haus der Diakonie Michaelshoven hin.

Diesmal führte die Kontaktaufnahme zum Erfolg. Über das Aufnahme- und Wohnheim für Frauen kam Schmitz in die Außenwohngruppe III. Seither teilt sie mit maximal vier Frauen und sechs Kindern die WG im Stadtteil Kalk. Betreut werden sie von drei Mitarbeiterinnen des Elisabeth-Fry-Hauses. In Einzel- oder Gruppengesprächen und themenbezogenen Treffs im Veedel lernen die Bewohnerinnen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und eine neue Lebensperspektive zu entwickeln. Sie trainieren, ihre Kinder gesund zu erziehen, den Haushalt strukturiert zu führen, mit ihrem Geld gut zu wirtschaften und achtsam mit sich umzugehen. Letztlich folgt die Wohnungssuche.

Harte Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt

Darin bereits erfolgreich war Susanne Kaiser*. Gemeinsam mit ihrer jugendlichen Tochter bezieht sie in Kürze eine Mietwohnung. „Ein bisschen Angst habe ich schon davor“, sagt die 41-jährige Mutter. Sie wagt einen Neubeginn und wünscht sich sehnlichst, dann keine Gewalt mehr zu erleben. Anders als bisher. Kaisers Ex-Arbeitgeber, ein Landwirt, hatte Mutter und Kind bedroht und vom Hof gejagt. „Innerhalb von zehn Minuten mussten wir alles zurücklassen – die Tiere, unsere persönlichen Sachen und Möbel.“ Das Jugendamt schaltete sich ein und sorgte für die Unterbringung in Kalk. Mutter und Tochter teilen sich seither ein Zimmer. Die 41-Jährige wacht regelmäßig auf, wenn ihre Tochter nachts im Schlaf weint. Das Mädchen nehme sich das Schicksal auch der anderen WG-Mitglieder, ob groß oder klein, sehr zu Herzen.

Durchschnittlich bleiben die Bewohner ein halbes Jahr in der WG. Tendenz steigend, beobachtet Sozialpädagogin Degen-Jakobi. „Seit Ende 2012 bekommen wir die Frauen kaum mehr in eine eigene Wohnung vermittelt. Der soziale Wohnungsbau in Köln ist erschöpft.“ Ihre Klientel konkurriert um bezahlbaren Wohnraum mit Flüchtlingen und Studierenden. Degen-Jakobi stellt auch fest: Zunehmend zögen junge Schwangere im Alter zwischen 20 und 22 Jahren ein. Sie seien stärker als früher auf Wohngruppen wie in Kalk angewiesen.

Die Scham der Frauen ist groß

Und noch etwas hat sich in ihrer fast zehnjährigen WG-Berufserfahrung verändert. Ständig muss das Team stärker um freie Plätze in Kindertagesstätten und Schulen ringen. Ist das Kind der wohnungsnotleidenden Mutter dann aber gut versorgt, eröffnen sich ihr neue Ressourcen. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum obersten Ziel, dass Mutter und Kind gemeinsam leben können. Vorausgesetzt, ergänzt Degen-Jakobi, das Kindeswohl sei nicht gefährdet.

Die Gesundheit der Kinder ist stets ein großes Thema. Degen-Jakobi beobachtet: Die wenigsten Mütter könnten frisches Obst, Gemüse und frische Säfte bezahlen. Es mangele ihnen auch an Milch und Windeln für ihre Kinder. Wenn sie darüber hinaus noch rauchten, auf engem Raum lebten und kaum an die frische Luft gingen, dann drückt die Situation auf die Gesundheit der Mutter und damit auch auf die des Kindes. Viel mussten die Frauen schon ertragen, bis sie in die WG einzogen, häufig Gewalt während der Schwangerschaft, Prostitution und Missbrauch. Im Umgang mit diesen Frauen müsse man entsprechend geduldig sein und darf sich nicht scheuen, in Abgründe zu schauen, sagt die Sozialpädagogin. Groß sei die Scham der Frauen, umso wichtiger die Botschaft: Du bist genauso ein Mitglied der Gesellschaft wie ich.

Verantwortung übernehmen

Die Tochter von Susanne Kaiser freut sich sehr auf ihr eigenes Zimmer und ihre Freunde, die sie dann spontan besuchen können. Verändert geht die Realschülerin durch das Leben und die Einkaufsstraßen ihrer Heimatstadt. „Obdachlose können nichts für ihre Situation. Auch sie haben einen Anspruch auf ein gutes Herz. Ich gebe ihnen, wenn irgendwie möglich, 20 Cent.“ Und wie hat die Krise auf ihre Mutter gewirkt? Kaiser erklärt: „Die Situation hat mich stärker gemacht. Ich schaue nicht mehr nach anderen, sondern verlasse mich nur noch auf mich selbst.“ Mehr als 100 Vermieter hat sie angerufen und letztlich über das Wohnungsamt ein neues Zuhause gefunden. Kaiser appelliert an Vermieter leer stehende Wohnungen zu melden und zur Verfügung zu stellen. Auch Degen-Jakobi ruft zur Selbstreflektion auf: „Kann ich Wohnraum abgeben oder etwas spenden?“ Es gehe doch darum, eigene Vorurteile zu überwinden und sich auch gegenüber fremden Religionen und Kulturen zu öffnen. Wer dies tue, bereichere sein Leben, sagt die Sozialpädagogin.

Laura Schmitz hofft, demnächst tatsächlich nach München umzuziehen, wohin ihr Freund inzwischen doch versetzt wurde. Das Paar versteht sich wieder gut. Ob in der bayerischen Landeshauptstadt oder aber in Köln: Die Lage auf dem Wohnungsmarkt bleibt weiter angespannt. Schumacher erklärt: „Die Stadt Köln ist dabei, Wohnungsmangel über viele Maßnahmen zu bekämpfen, etwa über die Umsetzung des Stadtentwicklungskonzeptes Wohnen und die Förderung von Wohnungsbau. Sie ist aber auch auf Investoren angewiesen.“

*Namen von der Redaktion geändert

Infos

Definition

Wohnungslos ist, wer nicht in einem mietvertragsrechtlich abgesicherten Wohnraum lebt, so z. B. Menschen in Asylheimen, Frauenhäusern, vorübergehenden Unterkünften bei Verwandten oder Freunden. Obdachlos ist, wer keine Unterkunft hat und auf der Straße oder in Notschlafstellen lebt.

Häufige Gründe für Wohnungslosigkeit

  • Häusliche Gewalt
  • Scheidung bzw. Trennung
  • Mietschulden
  • Krankheit

Service

Stadt Köln
Fachstelle Wohnen
Ottmar-Pohl-Platz 1
51103 Köln
Sozialamt.FachstelleWohnen@stadt-koeln.de

Elisabeth-Fry-Haus
Albert-Schweitzer-Straße 2
50968 Köln
Tel. 0221 - 37 64 90
efh@diakonie-michaelshoven.de

Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Köln
Mauritiussteinweg 77-79
50676 Köln
Tel. 0221 - 12 695-0
info@skf-koeln.de

Stadt Bonn

Stadthaus
Berliner Platz 2
Tel. 0228 - 77 53 72
obdach@bonn.de

Fachberatungsstelle, City-Station
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