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Familienleben

Der Trick ist, zu reden

Inga Drews · 31.05.2021

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© Anastassiya/Adobe Stock

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Schon vor Corona waren Internet, Computer und Smartphone ein beständiger Teil unseres Alltags – auch bei Jugendlichen. In der Pandemie ist die Mediennutzung aber noch gestiegen. Mediencoach Kristin Langer von der Initiative SCHAU HIN! hat mit uns darüber gesprochen.

KÄNGURUplus: Frau Langer, ab wann würden Sie von einer Mediensucht sprechen?

Kristin Langer: Man nimmt immer vordergründig an: Wenn Heranwachsende sich intensiv mit Medienangeboten beschäftigen und viel Zeit damit verbringen, liegt schon eine Suchttendenz vor. Das ist aber zu kurz gedacht. Um von Sucht sprechen zu können, müssen vielfältige Faktoren berücksichtigt werden – etwa Vernachlässigung von Pflichten, Kontrollverlust, Entzugserscheinungen und weitere –, die wiederholt, über den Zeitraum von einem Jahr permanent auftreten. Das heißt, wenn sich ein Kind in Begeisterung seines ersten Smartphones sehr lange mit einem neuen Spiel beschäftigt, raten wir Eltern: „Achtet auf Pausen, damit das Kind diese Begeisterung, die Anspannung im Spiel verarbeitet.“ Hier von Mediensucht zu sprechen, ist verfrüht. Vielmehr können Kinder beim Medienumgang lernen, Selbstregulierung einzuüben. Damit ist gemeint: „Ich bin in der Lage, einen Wunsch, ein Bedürfnis, das ich ganz massiv habe, auf später zu verschieben.“ Dabei können Eltern ihre Kinder unterstützen. Der Selbstregulierungsprozess ist mitunter erst im Erwachsenenalter abgeschlossen. Kinder und Jugendliche sind also hierbei noch in einer Entwicklung.

Nur, weil mein Kind viel zockt, surft und chattet, ist es also nicht gleich süchtig.

Ja. Wir raten Eltern, vorsichtig mit dem Begriff Sucht zu sein. Bis zu einer Sucht ist es ein langer, langer Weg. Es kommt natürlich bei Älteren durchaus vor, sagen wir zwischen 15 und 17 Jahren, möglicherweise ausgelöst durch einschneidende Ereignisse oder Krisen. Auch in der Pubertät, einer Zeit erheblicher Umbrüche und Veränderungen, kann sich auffälliges bis problematisches Verhalten zeigen. Jemand vergisst oder hört auf zu essen, wäscht sich nicht mehr oder unterlässt das Schlafen. Oder die Spielfrequenz wird immer weiter gesteigert, weil die ursprüngliche „Dosis“ nicht mehr ausreicht für ein persönliches Glücks- und Zufriedenheitsgefühl. Es gibt auch Tendenzen, dass Betroffene abtauchen möchten in eine andere Welt, wenn sie in der realen Welt Konflikte oder Schwierigkeiten haben. Gehören sie im Spiel zu den Gewinnern, fühlen sie sich anerkannt und sind zufriedener. Mediennutzung erfüllt immer Bedürfnisse, beim Spielen etwa den Wunsch nach Gemeinschaft, nach Erfolg. Wichtig ist, dass ich als Mediennutzender die Oberhand behalte. Dass ich entscheide, was ich möchte, wie lange ich das möchte. Dass ich mich nicht von Bindungsmechanismen in Spielen, von Werbung, Chat- oder Spielepartnern drängen und verführen lasse.

Gibt es bestimmte Medien, die ein Suchtpotenzial bergen?

Das ist ein bisschen zu kurz gefragt. Nicht die Medien an sich sind es, die etwas in sich bergen. Wir sind diejenigen, die sich für etwas entscheiden oder die in einer bestimmten Bedürfnislage sind. Es gibt allerdings Mechanismen, die mich immer wieder „auf Trab halten“ oder die mich in eine bestimmte Richtung lenken sollen. In einer Serie gibt es zum Beispiel Cliffhanger, in Chat- und Messengerprogrammen Belohnungsprinzipien oder Wettbewerbe. Eltern müssen deshalb aufmerksam sein und auf solche Angebote und heimlichen Verführer achten. Und es ist wichtig, dass sie mit ihren Kindern darüber reden. Was verführt uns dazu, lange dabeizubleiben? Wer macht das und warum? Es kommt also darauf an, in welchem Maße Kinder und Jugendliche Medien nutzen. Es kommt aufs Maß an und die Funktion. Wir können Medien nutzen, um uns zu unterhalten oder beschallen zu lassen – relativ inaktiv. Aber das machen viele Heranwachsende ja gar nicht. Sie schauen viele YouTube-Filme, nutzen Streaming-Dienste, aber sie chatten ja auch. Sie sind an dem, was sie in den Social-Media-Kanälen praktizieren, aktiv beteiligt. Wenn Medien also interaktive Ansprüche stellen, ist das schon etwas anderes. Wie zum Beispiel auch bei Lernprogrammen für die Schule oder wenn ich aktiv recherchiere, um einen eigenen Text zu schreiben. Ungesund ist, wenn die Zeit vor dem Bildschirm übermäßig wird. Das ist körperlich als auch mental nicht gut zu verarbeiten. Im Moment haben wir eine Ausnahmesituation, in der ich wirklich nur raten kann: Je häufiger Pausen gemacht werden, desto besser können wir die Zeit am Bildschirm verarbeiten.

Worauf sollte man noch achten, wenn das Kind übermäßig lange Medien nutzt?

Es ist wichtig, dass Eltern nach Gründen fragen und nicht zu schnell urteilen: „Warum meinst du, dass du drei Stunden ohne Unterlass chatten musst?“ Dafür gibt es einen Grund. Der kann sein: „Ich kann nicht anders, ich komme ohne nicht aus." Oder: „Ich habe Angst, etwas zu verpassen.“ Da schrillt dann die Alarmglocke und wir müssen genauer hinschauen. Man könnte dann sagen: „Lass uns doch mal ausprobieren, ob du es nicht doch schaffst und was dafür notwendig ist.“ Ein anderer Grund kann sein, dass die Lieblingsfreundin Schluss in ihrer Liebesbeziehung hat und Unterstützung braucht. Da wird natürlich mehr gechattet.

Also der Trick ist, einfach darüber zu reden.

Absolut. Und auch abzusprechen, wie eine Lösung aussehen kann. Unsere Kinder verhalten sich nicht so, um uns zu ärgern. Wenn mein Kind in der Pubertät ist, ist ganz klar: Mein Kind will etwas anderes, als ich will. Das liegt aber weder am Smartphone noch am Streaming-Dienst. Es ist ein natürlicher Entwicklungsprozess. Heranwachsende, vor allem Teenager, wachsen in der digitalen Gesellschaft auf. Da gibt es einfach unterschiedliche Kommunikations- und Informationswege. Es ist gut, wenn ich das als Elternteil akzeptiere, auch wenn es nicht meins ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Kristin Langer © privatKristin Langer ist Mediencoach beim Elternratgeber „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht“. Die diplomierte Medienpädagogin und Mutter einer Tochter hat langjährige Erfahrungen im Bereich der Elternarbeit: Als freie Dozentin arbeitet sie in der Erwachsenen- sowie Lehrkräftefortbildung und ist Referentin für die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM). Aus der fachlichen Arbeit für das Projekt Medienscouts-NRW sowie für das Deutsche Kinder- und Jugendfilmzentrum resultieren aktuelle Erfahrungen zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen.