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Familienleben

Auf ins Abenteuer: Mit 10 allein nach Deutschland

Anna Oberste · 21.02.2021

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Gastschwester Sofia (links) mit Noisette (rechts) / alle Fotos: Nora Kelb

Gastschwester Sofia (links) mit Noisette (rechts) / alle Fotos: Nora Kelb

Mit einer gehörigen Portion Aufregung und Vorfreude startete die 10-jährige Noisette aus der Bretagne im August 2020 in ein ganz besonderes Abenteuer, als sie für die kommenden sechs Monate bei Sofias Familie in Hürth einzog. Im Rahmen eines Austauschs mit der ehrenamtlichen Organisation Allef hat das Mädchen seitdem nicht nur die Sprache und das Leben im Rheinland (kennen)gelernt, sondern auch eine zweite und sogar sechsköpfige Familie dazu gewonnen.

Als wäre es schon immer so gewesen: Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht und ihrer kleinsten Gastschwester Marlene auf dem Schoß, erzählt Noisette von ihrer Zeit in Hürth, vor und während des Corona-Lockdowns. Als ich Noisette in unserem Zoom-Meeting kennenlerne, kommt es mir so vor, als würde sie schon ein Leben lang Teil der Familie sein. Dabei ist die Französin doch erst im letzten Sommer mit gerade mal zehn Jahren in das wohl größte Abenteuer ihres Lebens gestartet. Für Noisette ging es vom Leben auf einem Ökobauernhof mit Milchkühen, Ziegen und Schafen ab in Sofias sechsköpfige Familie vor die Tore von Köln. Ohne Deutsch zu sprechen begann für sie im letzten August der spannende Ausflug in ihr Nachbarland.

Nichts ist bei Heimweh schlimmer als Langeweile

Vom Leben auf dem Land bis fast in die Großstadt. Wie ihr euch vorstellen könnt, waren die ersten Tage in Hürth besonders für Noisette aufregend – eine neue, große Familie, eine unbekannte Umgebung und eine Sprache, die sie nicht verstand. Da kann man zwischendurch auch mal überfordert sein und Heimweh entwickeln. Für Nora, Sofias Mama, war die Situation ebenfalls eine kleine Herausforderung, besonders wenn doch einmal ein paar Tränchen geflossen sind. „Abends sind die Probleme ja größer als morgens,“ weiß Nora. Zum Glück konnte sehr schnell ein gutes Rezept gegen Heimweh gefunden werden: Ein paar liebevolle Umarmungen, Kuscheln mit Baby Marlene, eine gute Portion Abwechslung mit ihren neuen Schwestern und Brüdern und Bewegung an der frischen Luft sowie Schulvorbereitungen und Freunde treffen stellten sich als gutes Programm gegen den kleinen Kummer heraus.

Und auch die beiden Partnerkinder Noisette und Sofia ergaben von Anfang an das perfekte Match, ganz ohne viele Worte. Und die braucht es auch nicht immer: beim Kniffeln oder Basteln reicht es vollkommen aus, sich mit Händen und Füßen zu verständigen.


Zum Basteln braucht es keine Worte.

Schule bis zum Lockdown

Bereits an Tag drei fiel für Noisette der Startschuss für ihre Schulzeit in Hürth: Bepackt mit ihrem Rucksack sattelte das Mädchen ihr Fahrrad und es ging plötzlich ganz städtisch über die vollen Radwege zur Schule – ein echtes Kontrastprogramm zu ihrem Leben in der Bretagne. Die kleine, große Französin begleitete Sofia von Beginn an ganz normal zur Schule und ging mit ihr in eine Klasse, solange Corona es zuließ. Ende des Jahres änderte sich der Stundenplan vom Schulbesuch zum Homeschooling mit sehr viel intensiver Familienzeit.

Die zunächst große Sprachbarriere wurde schnell ganz klein. Das Deutschsprechen klappte richtig gut, weil Deutsch von heute auf morgen zu Noisettes Umgebungssprache wurde. Sie konnte schnell erste Wörter und Sätze sprechen und verabredete sich bereits nach kurzer Zeit alleine mit Freunden, besuchte ein Fußballcamp und las abends die Drei??? Kids in ihrem Dachzimmer in Hürth. Wer weiß, vielleicht träumte sie sogar schon auf deutsch.

Bevor es losgeht

Bevor das Projekt Austausch starten kann, müssen zunächst eine Menge Formalitäten in Angriff genommen werden. Die Familien füllen im ersten Schritt eine ausführliche Bewerbung aus. Dokumente wie ein erweitertes Führungszeugnis ergänzen die Unterlagen, bevor entschieden wird, welche Kinder für den Austausch zusammenpassen und ein Match ergeben. Dabei werden viele Details geklärt, die im Alltag der Familien eine Rolle spielen. Das können Dinge sein wie ‚Dürfen die Kinder in der Familie Fernseh gucken?‘, ‚Wird in der Familie geraucht?‘ oder ‚Welche Rolle spielt Religion im Leben der Familie?‘. So soll sichergestellt werden, dass die Austauschkinder auch wirklich zueinander passen. Ein gegenseitiger Vorbesuch ist ebenfalls ein Muss. Dabei hatte auch Noisette schon einmal Hürther Luft geschnuppert und zusammen mit ihrer Mutter Sofias Familie kennengelernt. Der Gegenbesuch in der Bretagne zeigte schnell, dass sich die beiden Mädchen gut verstehen, auch ohne die gleiche Sprache zu sprechen. „Wie Pech und Schwefel,“ beschreibt Sofias Mama Nora das Verhältnis zwischen Noisette und Sofia heute und ist sich sicher, dass ihre eigene Tochter durch den Austausch nicht nur eine große soziale Entwicklung, sondern ebenso unglaublich wertvolle Lebenserfahrung gesammelt hat.

Echte Austauschexperten

Die Aufnahme von Noisette in ihrer eigenen Familie ist für Nora nicht der erste Austausch. Das bezeugt übrigens auch ein alter Zeitungsartikel aus dem Jahre 1996, der heute noch an der Tür zu ihrem alten Kinderzimmer hängt. Ein Austausch bildete für Nora den Startschuss in ihr eigenes Frankreichabenteuer in Montlucon in der Auvergne. Dort hatte sie selbst als Zwölfjährige nicht nur spielerisch Französisch gelernt, sondern vielmehr eine Familie dazu gewonnen und in Audrey, ihrer damaligen Gastschwester, eine Freundin fürs Leben gefunden. Diese Zeit ist für Nora und ihre Mama Anette bis heute eine wertvolle Erfahrung, die beide auf keinen Fall missen möchten. Neben einer guten Sprachfähigkeit sind vor allem die sozialen Fähigkeiten, die man lernt, von unschätzbarem Wert und gut für das eigene Selbstbewusstsein, weiß Nora. Und noch viel mehr: Die Zeit in unserem Nachbarland war für sie zudem ein Startschuss für viele weitere Auslandsreisen und die Studienzeit in den Niederlanden.


Ein Austausch mit Tradition

Herausforderungen für Gasteltern

Auch die Gasteltern begrüßen mit dem Austausch ein neues Familienmitglied in ihren Reihen. Und wie ihr euch vorstellen könnt, ist das auch für sie unheimlich aufregend und eventuell mit der ein oder anderen Sorge verbunden. Wie gefällt es unserem Austauschkind? Fühlt es sich hier wohl und wie geht es den „Geschwisterkindern“ mit der neue Familiensituation? Fragen über Fragen, deren Antworten sich eventuell erst nach ein paar Tagen oder Wochen finden. Nora, die ja nun beide Seiten der Medaille – die als Austauschkind und -mutter – kennt, ist mittlerweile gut in diese Rolle gewachsen. Sie hat festgestellt, wie hilfreich es ist, das Gastkind, von Anfang an wie ein eigenes zu behandeln. Je authentischer, desto leichter ist es, herausfordernden Situationen entgegenzutreten. Zum Beispiel dann, wenn das Kind einmal Heimweh hat.

Nora und ihre Mutter Anette sehen einen klaren Vorteil darin, dass die Kinder bereits mit etwa 10 Jahren an dem Austausch teilnehmen. „Je jünger, desto besser,“ weiß Anette, da die Kinder vieles spielerisch lösen können und die Sprache dabei gleich miterwerben. Oma Anette selbst ist übrigens eine echte Gastmutterexpertin, da alle ihre drei Kinder an einem Austausch teilgenommen haben.

Ein Wiedersehen ohne Lockdown

Die aufregende erste Hälfte des Abenteuers neigt sich für Noisette und Sofia nun dem Ende entgegen und die einmaligen Erfahrungen kann auch Corona nicht trüben. Ich bin mir sicher, Noisette nimmt viele wertvolle Eindrücke in ihrem Gepäck mit nach Hause und hat während ihrer Zeit in Deutschland eine zweite Familie dazugewonnen.

Bevor es in den zweiten Lockdown ging, hat die Französin unser Kölner Land und als absolutes Highlight das Phantasialand entdecken können. Und ebenso wird die intensive Familienzeit, zwei Wochen in Quarantäne und das Homeschooling sicher nicht nur Mama Nora in Erinnerung bleiben, wenn ich mich da an ihre morgendlichen Grüße auf Instagram erinnere. Das Positive: Es gibt bereits eine lange Liste an Aktivitäten, die auf dem Programm stehen, wenn Noisette das nächste Mal zu Besuch kommt. Und wenn alles klappt, dann startet Sofia auch bald in ihr eigenes Frankreichabenteuer und die zweite Hälfte des Austauschs kann umgesetzt werden.


Noisette und ihre „neuen“ Geschwister

Über Nora und ihre Familie

Nora lebt mit ihrer siebenköpfigen Patchworkfamilie in Hürth und nimmt uns auf ihrem Instagramkanal nora.maite herrlich ehrlich und unterhaltsam mit durch ihren Alltag als Mama von vier Kindern und einer Austauschschülerin, durch ihr Medizinstudium und macht auch vor allen kleinen und großen Herausforderungen des Alltags nicht halt.

Über Allef

  • Allef ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Sprach- und Kulturaustauschs für Kinder von 8-10 Jahren.
  • Im Rahmen des Austauschs verbringen zwei gleichaltrige Kinder ein ganzes Jahr miteinander: sechs Monate in einer deutschen Familie, sechs Monate in einer Partnerfamilie im europäischen Ausland.
  • Basis für die Teilnahme ist ein detailliertes Bewerbungs- und Auswahlverfahren, damit die Kinder und deren familiäres Umfeld möglichst gut zueinander passen.
  • Feste Ansprechpartner stehen den Familien während des gesamten Programms zur Seite.
  • Die Kosten für die Vermittlung des Austausches und die Betreuung durch Allef betragen derzeit etwa 1300 Euro.
  • Weitere Infomationen findet ihr hier: http://allef.eu