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Bildung

Wie wir unseren Kindern das Beste für ein erfülltes Leben mitgeben

Claudia Berlinger · 11.09.2020

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Mit voller Begeisterung ©  tunedin/Adobe Stock

Mit voller Begeisterung © tunedin/Adobe Stock

Begeisterung funktioniert wie ein Feuerwerk fürs Lernen und fürs Leben.

Wenn ich meiner achtjährigen Tochter erzähle, dass es das Konzept Kindheit vor 300 Jahren noch gar nicht gab, schaut sie mich mit großen Augen an. Dass sie keine kleine Erwachsene ist, sondern ein Kind mit besonderen Empfindungen, Gedanken und einer ganz eigenen Art, an Dinge heranzugehen, ist eine Selbstverständlichkeit für sie. Ich erfuhr erst in der Oberstufe von Jean-Jaques Rousseau, der die Kindheit als eine kostbare und schützenswerte Zeit ansah und ihr den Roman „Emile oder Über die Erziehung“ widmete. Rousseau blickte als Erster seiner Zeit voller Vertrauen auf diese Lebensphase. Sein Credo „Alles ist gut, wie es aus den Händen des Schöpfers der Dinge hervorgeht; alles verdirbt unter den Menschen“, mit dem er seinen Roman eröffnete, wandelte die gesellschaftliche Wahrnehmung für diese besondere Zeit eines Menschenlebens bis heute.

Der gefragte Freibildungsexperte André Stern zeichnet in seinem Buch „Begeisterung“ ein ebenso vertrauensvolles Bild vom Menschsein wie einst Rousseau. Sein Ansatz: Wollen wir unsere Kreativität aktivieren und unseren Kindern ein erfülltes Leben ermöglichen, gibt es nur einen Weg: Dem kindlichen Staunen den größtmöglichen Raum zu geben, frei von Wertung und jeglicher Kommentare.

Begeisterung ist Dünger für das Gehirn

Der Autor André Stern ist ein begnadeter Gitarrist, außergewöhnlicher Gitarrenbauer, engagierter Musiklehrer und Vater zweier Söhne, und obwohl er nie selbst eine Schule besuchte, ein gefragter Referent. Anhand von Beobachtungen aus dem Alltag mit seiner Familie und einigen Gastbeiträgen beschreibt er in seinem Buch den Weg, unsere Kinder bestmöglich für ihr Leben zu wappnen. „Wenn wir unsere Begeisterung voll ausleben dürfen, sind wir nicht nur zu größeren Anstrengungen fähig, zu mehr Mut und unerschütterlicher Beständigkeit, wir werden auch zu regelrechten Schwämmen. Ein 85-Jähriger kann in einem halben Jahr chinesisch lernen ... vorausgesetzt, er begeistert sich dafür.“

Stern vertritt eine These, die sich unter Neurobiologen längst durchgesetzt hat: Das Gehirn benötigt für seine Weiterentwicklung emotionale Anregung. Er benennt Begeisterung als den Schlüssel, mit dem wir die verschlossenen Türen unseres Gehirns öffnen und ein riesiges Potenzial anzapfen können. Aber was ist denn eigentlich das Besondere am Zustand der Begeisterung – außer, dass sie Freude bringt?

Sich begeistern heißt, in die göttliche Energie einzutauchen

André Stern geht hier vom Begriff Enthusiasmus aus, das von „en theos“ abgeleitet ist und zu Deutsch als „Innerer Gott“ bezeichnet werden kann. Die Wurzel des Wortes „theos“ bezeuge die Anbindung an eine höhere Kraft, die die begeisterte Person tief im Inneren bewege. Was er damit meint, ist, dass wir im Zustand der Begeisterung der allumfassenden Schöpferkraft – also Gott – näherkommen und diese Beseeltheit von universeller Energie uns befähigt, wahrhaft Großes zu vollbringen. Ein Mensch, der sich für das Leben begeistert, lebt demnach im Einklang mit göttlicher Energie. Und während Kleinkinder alle zwei bis drei Minuten einen wahren Begeisterungssturm erleben und somit ihre Nähe zur Schöpfung belegen, dürfen Erwachsene laut seiner Auswertung von neurobiologischen Studien diese Intensität an Begeisterung nur zwei bis dreimal pro Jahr erfahren.

Warum verlieren wir unsere Begeisterungsfähigkeit?

Ein kurzer Blick zur Neurobiologie: Entwicklungsgeschichtlich hängt das Überleben eines Kindes von seiner Anpassungsfähigkeit an die Welt ab, in die es hineingeboren wird. Das menschliche Gehirn ist so vorprogrammiert, dass ein Neugeborenes sowohl in einem afrikanischen Busch wie auch in einer Großstadt-Metropole gleichermaßen gut zurecht kommen könnte.

Und dann passiert das Unausweichliche. Das Kind wird in einen sozialen Verbund, in gesellschaftliche Strukturen und Denkweisen, in eine Familie hineingeboren. Wir als Eltern hätten eigentlich die Wahl, von unseren Kindern zu lernen, uns von ihrer Begeisterungsfähigkeit anstecken zu lassen, durch ihre Gedankengänge und Gefühle Unerwartetes und Neues in unser Leben einzuladen – uns überraschen zu lassen. Doch meist geschieht genau das Gegenteil. Eltern sind so sehr darauf bedacht, ihren Kindern das Handwerkszeug zu vermitteln, sich in der Welt zurechtzufinden, sie zu unterstützen, ihren Platz zu finden, sich zu integrieren, dass sie sie durch ihre vorgegebenen Konzepte massiv beschneiden. Die Welt der Kinder wird mit jedem Lebensjahr zunehmend vorbestimmter und die Welt, die eigentlich ein riesiger Abenteuerspielplatz voller Möglichkeiten ist, verkleinert sich drastisch.

Die Konzepte der Erwachsenen sind das Ende der Kindheit

Von Geburt an und lange bevor Kinder verbale Sprachkompetenzen erwerben, spüren sie die Erwartungen, die wir an sie stellen. Das Überleben eines Babys hängt davon ab, dass es von seinem Stamm umsorgt und geliebt wird. Ein Kind hat gar keine Wahl, als sich bestehenden Konzepten zu unterwerfen. Wenn es nun also spürt, dass wir seine spontanen Begeisterungsstürme, Verspieltheit oder Selbstvergessenheit geringschätziger bewerten als seine Konformität und Leistungsbereitschaft, wird es sich auch diesen Werten der Erwachsenen unterwerfen. Das ist es, was Stern als das Ende der Kindheit bezeichnet.

Als Eltern können wir uns davor kaum schützen. Wir kennen das alle: Unsere Kinder tun nicht, was wir ihnen sagen, sondern was wir ihnen vorleben. Unsere Kinder werden so, wie sie uns sehen, aber „… unsere Kinder werden auch so, wie wir sie sehen“, erklärt Stern. Welche Charaktereigenschaften, Fähigkeiten oder Talente wir an unseren Kindern wahrnehmen, wird ihr Selbstbild als Erwachsene bestimmen. So wie auch unsere eigene Selbstwahrnehmung davon geprägt wurde, wie wir als Kinder betrachtet wurden. So entstehen Familientraditionen, die sich mit jeder Generation neu verfestigen - zumindest solange sie nicht in Frage gestellt werden.

Und wie finden wir unsere Begeisterung wieder

Was Kinder dringender als alle anderen Worte hören sollten, ist: „Du bist genau so richtig, so wie du bist. Du wirst geliebt, so wie du bist – in all deinen möglichen Entfaltungen“, so Stern. Solche Worte erzeugen in Menschen, ob groß oder klein, Freude, Mut und Liebe und ebnen den Weg für Gefühle von Begeisterung. In Anbetracht dessen, wie traurig es sein kann, Menschen anzusehen, die sich in einem Leben eingerichtet haben, das sie als unerträglich und eintönig empfinden, wäre diese Herangehensweise sicher einen Versuch wert. Insbesondere, wenn man bedenkt, wie viele große Menschen sich ganz einfach von ihrer Begeisterung leiten ließen und als Nebenprodukt große Taten in Wissenschaft, Forschung oder in schöpferischen Situationen vollbrachten.

Beginnen könnten wir damit, unseren Kindern zu gestatten, uns in ihre Wahrnehmung von Welt mitzunehmen. Wenn zum Beispiel die Tochter bei dem Versuch, eine unbekannte Kindergartenmutter zuzuordnen, ausruft: „Mami, wem gehört denn die Mama da?“ einfach mal die Perspektive wechseln. Das Heitere an Dingen sehen, Neues ausprobieren und sich selbstvergessen eigenen Spielen widmen, wäre ein guter Anfang. Sich vornehmen, das Denken und Fühlen neu auszurichten. Warum nicht alles, was ohnehin erledigt werden muss, mit einer inneren Grundhaltung der Begeisterung tun und hier und da Raum für Überraschungen freihalten? Wir könnten die Ergebnisse unserer Arbeit als Früchte sehen, die wir schmecken können, ohne den ganzen Rattenschwanz von Verpflichtungen oder Zukunftsgedanken zu nah an uns herankommen zu lassen. Und wie wäre es, unsere Leistungen einmal vollkommen wertungsfrei stehen zu lassen? Sie sind, was sie sind, einfach Dinge, die wir tun, unabhängig von Erfolg und Versagen. Vieles gelingt, manches aber eben auch nicht und morgen ist ein neuer Tag.

Unsere Selbstgespräche verändern

Als Erwachsene leben wir sehr in der verbalen Welt, während kindliche Fühler mehr auf basale Empfindungen ausgerichtet sind. Hier ein paar Vorschläge, wie wir unsere Selbstgespräche rund um das Wort „müssen“ verändern und unsere Erlebniswelt mit sämtlichen Schattierungen von Genuss bereichern können: „Ich liebe es, wenn die Sonne auf mein Gesicht scheint“, „ich freue mich, die neue Eissorte auszuprobieren, weil ich Caramel-Meersalz noch nie gekostet habe“, „ich schätze es, wenn jemand freundlich zu mir ist, mir wird dann innen ganz warm“, „ich genieße jetzt mein ausgelassenes Wannenbad mit Lavendelduft und Melissenöl, das riecht so lecker“, „jetzt mit dem Hund im Regen Gassi zu gehen, schenkt mir Momente der Stille im Wald“ und last but not least „Hurra! Arbeit! Sie ernährt meine Familie und ermöglicht uns ein schönes Leben / den nächsten Urlaub / in einer tollen Wohnung zu leben / interessante Menschen kennen zu lernen“. Ja, wir können von Kindern eine Menge lernen und ich stimme Stern gern zu, dass es keine bessere Grundlage für ein erfülltes Leben gibt, als Begeisterung für das eigene Tun.

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