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Bildung

Sprachentwicklung verläuft nicht immer gradlinig

Redaktion · 23.02.2021

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Ursula Günster-Schöning ist systemische Organisationsentwicklerin, Senior Coach (QRC), staatlich anerkannte Erzieherin und Sozialfachwirtin.

Ursula Günster-Schöning ist systemische Organisationsentwicklerin, Senior Coach (QRC), staatlich anerkannte Erzieherin und Sozialfachwirtin.

Autorin Ursula Günster-Schöning spricht mit KÄNGURU-Redakteurin Anja Janßen über Individualität, die Bedeutsamkeit einer sicheren Bindung und erklärt, was die Pandemie für die Sprachentwicklung bedeutet.

KÄNGURU: Während der Pandemie besuchen viele Kinder über längere Zeiträume nicht die Kita, die Schule oder die Tagesmutter. Wie wichtig sind diese Kontexte für die Sprachentwicklung eines Kindes? Was bedeutet das besonders für Kinder aus sozial benachteiligten Familien?

Ursula Günster-Schöning: Dass ihnen gleichaltrige Spielkameraden für den Austausch und das freie selbstbestimmte Spiel fehlen, ebenso wie gute Sprachvorbilder in Form von Tagepflegepersonen, Erzieher:innen und Lehrer:innen. Dadurch fehlen ihnen auch viele Impulse, sprachanregende Angebote und Aktionen, was sich auf die Sprachentwicklung natürlich eher ungünstig auswirkt. Um das zu kompensieren, müssten Eltern jetzt noch einmal eine „Schüppe“ drauflegen. Und das ist kaum zu erwarten und zu leisten. Und selbst wenn sie guten Willens sind, gelingt es mal mehr und mal weniger gut. Zudem werden die mangelnden Kontakte zu Gleichaltrigen meist durch mehr Medienkonsum kompensiert, der in der Regel nie dialogisch, sondern immer konsumierend ist. Denn die Kinder unterhalten sich ja nicht mit dem Fernseher, der Play-Station, dem Tablet oder der Spielkonsole. Sie sitzen meist stumm davor und starren auf den Monitor. Auch das ist wenig sprachförderlich. Es sei denn man würde die Medien kreativ und sprachanregend nutzen, indem man die digitalen Medien wie zum Beispiel das Tablet, den Laptop oder PC für kooperative, sprachaktive Spiele oder für die Vernetzung der Kinder verwenden würde.

Welche Bedeutung schreiben Sie der digitalen Vernetzung von Kindern in der aktuellen Situation zu?

Für viele Kinder ist das eine gute Möglichkeit, um sich proaktiv einzubringen oder auch weiterhin mit Gleichaltrigen auszutauschen und in Kontakt zu bleiben. Doch leider benötigen viele Eltern diese Medien zurzeit selbst, da sie im Homeoffice tätig sind, und manche Eltern haben diese Medien gar nicht zur Verfügung. Gerade in sozial benachteiligten Familien sind digitale Medien, bis auf den Fernseher, meist nicht vorhanden. Sicherlich kann der mediale Kontakt den sozialen nicht ersetzen. Gleichwohl würde es vielen Kindern guttun, wenn sie mit dem Freund oder der Freundin zumindest virtuell sprechen, spielen oder sich auszutauschen können. Und da das nicht immer möglich ist, bleiben Eltern im Lockdown die wichtigsten Sprachvorbilder, Spiel- und Gesprächspartner.

Sie schreiben: „Singen ist pure Sprachförderung.“ Was passiert dabei?

Beim Singen verlangsamt sich die Sprache, so dass Wörter deutlicher hörbar sind und sich besser einprägen – beim Hören wie beim Mitsingen. Auch die unbetonten Endsilben werden auf diese Weise hörbar, da sie in Liedern einen eigenen Ton bekommen, während sie beim Sprechen oft aus der Wahrnehmung verschwinden. Durch Rhythmen und Melodien wird die Sprachmelodie der Sprache, die Prosodie, besonders hervorgehoben. Dies geschieht schon bei einfachen Kinderliedern oder Abzählreimen. Außerdem berührt Singen immer den ganzen Menschen. Oder können Sie bei einem Lied, das Ihnen gut gefällt, wirklich ruhig bleiben? Singen sorgt also für eine positive und lebensbejahende Atmosphäre und fördert ganz nebenbei die Sprachentwicklung – sowohl bei Erwachsenen, die zum Beispiel eine neue Sprache lernen, als auch erst recht bei Kindern.

Warum ist eine verlässliche Bindung so bedeutsam für die gesamte Entwicklung eines Kindes?

Eine sichere Bindung ist wie ein psychischer Schutz und ein guter Nährboden für eine positive Persönlichkeitsentwicklung. Denn jedes Kind braucht die Sicherheit, bedingungslos geliebt zu werden. Durch ein wechselseitiges Aufeinanderhören und -achten stellt sich ein tragfähiges Miteinander ein, sodass sicher gebundene Kinder sich zu widerstandsfähigen Jugendlichen entwickeln können. Eine verlässliche Bindung ist daher wie ein sicherer Hafen für das gesamte Leben. Zudem sind sicher gebundene Kinder häufig flexibler beim Finden eigener Lösungen, da sie wissen, dass sie selbstwirksam sind. Und auch ihre Lern- und Merkfähigkeiten sowie die Sprachentwicklung sind häufig besser ausgeprägt, als bei unsicher gebundenen Kindern.

Das eine Kind läuft sehr früh und lässt sich mit dem Sprechenlernen Zeit, das andere Kind spricht früh die ersten Wörter und läuft später. Kinder entwickeln sich unterschiedlich, was Eltern zum Teil verunsichern kann. Was raten Sie Eltern in solchen Fällen?

Die Sprachentwicklung verläuft nicht immer geradlinig. Mal geht es sprunghaft voran, manche Fertigkeit braucht ein bisschen länger. Dies ist von Kind zu Kind verschieden. Eltern sollten daher gute, also achtsame und liebevolle, Wegbegleiter sein. Sollten da sein, wenn die Kinder sie brauchen, sollten sie liebhaben, auf ihre Selbstlernkompetenzen vertrauen und mit ihnen Zeit verbringen. Kinder achtsam zu  begleiten bedeutet daher auch, sie anzunehmen, wie sie sind, sie auf ihrem individuellen Weg nicht anzuschieben oder gar hinter sich herzuziehen. Und da jedes Kind sein eigenes Tempo auch beim Sprachelernen hat, sollten sich Eltern, die sich wegen mangelnder Entwicklungsfortschritte Gedanken machen, einfach Unterstützung holen. Gemeinsam kann dann eine gute Förderung gelingen. Und zu guter Letzt wäre es schön, wenn Eltern mit ihren Kindern Beziehungszeit verbringen. Wenn sie mit ihnen kuscheln, reden, spielen und singen, ihnen vorlesen und sie so mit genügend Wörtern „füttern“, damit sie lernen, zu sprechen und ihre Sprache zu nutzen, auch wenn die Pandemie für alle Eltern zurzeit sehr anstrengend ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ursula Günster-Schöning war 20 Jahre im Bereich der Elementarpädagogik tätig, spezialisiert auf die Förderung bei Lese-Recht-Schreibschwäche, Legasthenie, Dyskalkulie, ADHS, Verhaltensauffälligkeiten, sozialer Unsicherheit und Konzentrationsproblemen. 2006 gründete sie das Institut für zukunftsorientierte Bildung „ERFOR“. Als Autorin verfasst sie regelmäßig Fachartikel.

BUCHTIPP: JETZT LERNE ICH SPRECHEN

„Jetzt lerne ich sprechen“ – unter diesem Titel ist ein neues Buch zum Thema Sprachentwicklung im Duden Verlag erschienen. Autorin Ursula Günster-Schöning liefert Spielideen und praktische Tipps, mit denen Eltern den Spracherwerb ihres Kindes spielerisch fördern können. Gespickt mit viel Wissen und Infos rund um die Sprachentwicklung bis zum 6. Lebensjahr.

Info: Jetzt lerne ich sprechen: Die Sprachentwicklung von Kindern verstehen und fördern, Duden Verlag 2021, 18 Euro

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