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Teenager

Ich bin Fan, Ich bin Nerd

Text & Fotos: Annika Krause · 23.04.2024

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Sofia, 23, Studentin, Cosplayerin

Sofia, 23, Studentin, Cosplayerin

Über dem Bett hängen Poster der Lieblingsband und es wird immer wieder dieses eine Lied abgespielt. Die Wochenenden werden im Stadion verbracht und die ganze Familie hofft auf den Sieg der Lieblingsmannschaft, damit die Stimmung zuhause nicht kippt. Stundenlanges Zocken am Computer, unter dem Kopfkissen stapeln sich Comics: Wer die feinen Details hinter den Lieblingscharakteren nicht kennt, versteht nur wenig von der Begeisterung für die Fantasy-Geschichten.

Vielleicht können wir uns selbst noch an die Zeit erinnern, in der unser Herz für den einen Star, diese bestimmte Musik, die spezielle Sportmannschaft oder das besondere Buch geschlagen hat. In der wir etwas nicht nur interessant, sondern faszinierend und bewundernswert fanden. Vielleicht war es eine kurze, intensive Phase, vielleicht hält die Verbundenheit noch immer an. Schauen wir jetzt auf Jugendliche, die ihre Leidenschaft und Energie in das eine Thema, IHR Thema, investieren, können wir die Stirn runzeln, es belächeln oder anerkennen. Es ist die Leidenschaft für ihre Idole, die Fähigkeit zur Begeisterung.

Fan oder Nerd?

Im Duden wird der Begriff „Fan“ als jemand, der oder die sich für jemanden oder etwas begeistert, beschrieben. Das Wort wird aus dem englischen „fanatic“, also fanatisch, hergeleitet. Ein „Nerd“ wird als jemand beschrieben, der oder die sich für ein spezielles Fachgebiet besonders interessiert und viel Zeit damit verbringt. Das englische „nerd“ bedeutet übersetzt Schwachkopf und auch auf Deutsch wird der Begriff „Nerd“ teilweise abwertend verwendet.

Ein Fan zu sein bedeutet, eine tiefe Begeisterung für ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Aktivität zu haben. Nerd-Sein geht oft noch einen Schritt weiter und beinhaltet eine intensive Beschäftigung mit und ein tiefes Verständnis für spezifische Bereiche. Ein Nerd ist also auch ein Fan, während ein Fan nicht unbedingt ein Nerd ist.

Was macht einen Fan aus?

Der Soziologe Dr. Mike Schäfer, Leiter der Studie „Fans und Fantum“ an der FU Berlin, nennt drei entscheidende Faktoren für das Fan-Sein. Zum einen gibt es eine soziale Bindung zum Fan-Objekt. Meist ist es eine Person oder eine Personengruppe, der „der Fan“ selbst nicht angehört. Ein Fußballfan ist jemand, der oder die regelmäßig ins Stadion geht, nicht die Person, die selbst auf dem Spielfeld steht und bejubelt wird. Außerdem gehört ein überdurchschnittliches Maß an Leidenschaft zum Fan-Sein dazu. Wer Comics nicht nur liest, sondern sich selbst in die Rolle des Lieblings- charakters im Cosplay verwandelt, geht über einfaches Interesse an einem Thema hinaus. Der dritte Punkt beschreibt eine große Investition in das Fan-Objekt. Das kann Zeit sein, oft ist es auch Geld. Dr. Mike Schäfer erklärt: „Was alle Gruppen verbindet, ist die gemeinsame Leidenschaft für eine bestimmte Sache, die zu ihrem Alltag, ihrer Freizeit gehört.“

Das Phänomen des Fan-Seins ist nicht neu, sagt Dr. Mike Schäfer. Den Versuch, sich in der Jugend von der Familie, von traditionellen Werten und dem Druck der Gesellschaft abzugrenzen, gab es schon immer. In der jüngeren Geschichte trugen Beatles-Fans ihre Haare lang, um gegen die Spießigkeit ihrer Eltern zu rebellieren.

Jugendliche Fan-Kultur

Jugendliche befinden sich in einer Phase der Selbstfindung und Identitätsbildung. Fan zu sein bietet die Möglichkeit, sich mit etwas zu identifizieren, das die eigenen Werte widerspiegelt. Es ist eine Art, Individualität auszudrücken und gleichzeitig Teil einer Gemeinschaft zu sein. Diese Gemeinschaft kann real sein, wie bei Sportveranstaltungen und Conventions, oder virtuell, wie bei Online-Foren für Comic- und Fantasy-Fans. Fandoms bieten eine Plattform für Selbstentdeckung und soziale Vernetzung. Jugendliche können durch ihre Fan-Interessen Vorbilder finden, die ihre Ideale verkörpern und ihnen helfen, ihre Eigenständigkeit zu entwickeln.

Der Unterschied zwischen dem Bejubeln von Sportmannschaften oder Popstars und dem leidenschaftlichen Interesse für Fantasy-Geschichten bis hin zu Cosplay oder dem Schreiben eigener Fanfiction liegt hauptsächlich in der Bewertung von außen. Durch die intensive Auseinandersetzung mit Themen, die nicht dem Mainstream entsprechend „cool“ sind, werden Nerds oft von Gruppen ausgegrenzt und gelten als sonderbar. Doch spätestens seit dem Serienerfolg von „The Big Bang Theory“ hat sich auch die öffentliche Wahrnehmung eines Nerds verändert. Die Unbeholfenheit der Charaktere sorgte für Unterhaltung, aber nicht nur das: Sie schuf eine Parallelwelt, in der Marotten liebenswert und Etikette langweilig erschienen. Nerd sein bedeutet auch: Mut zum Anderssein. Mehr Individualität und echtes Interesse, weniger angepasste Coolness.

Sofia, 23, Studentin, Cosplayerin

© Annika Krause

„Ich verkleide mich als Lyney von Genshin Impact, ein Open-World-Action-Rollenspiel für das Handy, die Playstation oder den Computer. Lyney ist ein Magier, ein Bühnenmensch, der Leute fasziniert und verzaubert. Für mich bedeutet Cosplay Kreativität, durch die ich mich frei entfalten kann. Mit Cosplay kann ich jede Rolle einnehmen und aus der Realität fliehen. Ich habe mich schon immer für Fantasy, Anime und Cosplay interessiert, mich aber früher nicht getraut, es nach außen zu zeigen. In der Schule wurde ich gemobbt und habe versucht, mich zu verstecken. Seit einem Jahr traue ich mich endlich, mich so zu zeigen, wie ich bin. Zu mir, meiner Leidenschaft, meinem Hobby zu stehen. Mir gefällt es mittlerweile sogar, Aufmerksamkeit zu erregen und angeschaut zu werden. Inzwischen lebe ich nach dem Motto: Ich mache, worauf ich Lust habe – egal, was andere denken. Ich stehe darüber, wenn jemand einen blöden Spruch ablässt. Seitdem ich so selbstbewusst auftrete, bekomme ich hauptsächlich positive Resonanz. In der Cosplay-Szene fühle ich mich verstanden und angenommen. Ich habe gemerkt, dass ich eigentlich ein extrovertierter Mensch bin, der sich gerne zeigt und über sich spricht. Als Jugendliche konnte ich mich so nicht zeigen – dass das jetzt geht, genieße ich sehr."

Tom, 21, Student, begeistert von Warhammer

© Annika Krause

„Warhammer ist ein Miniaturen Tabletop Spiel, für das man die Figuren selber zusammenbastelt, bemalt und dann mit ihnen spielt. Es vereint also Strategie mit Kreativität. Für mich ist es fast meditativ, die Figuren zu bemalen. Mittlerweile gibt es von Warhammer auch Computerspiele, aber mir macht es mehr Spaß, mich mit Freunden zu treffen, gemeinsam die Figuren zu bemalen und dann zusammen zu spielen. Ich spiele Warhammer, seitdem ich 14 bin und seit gut zwei Jahren arbeite ich neben dem Studium im Warhammer Geschäft. Das ist perfekt für mich, weil ich damit mein Hobby mit Geld verdienen verbinde. Ich bin auf jeden Fall Fan von Warhammer, schaue täglich nach neuen Artikeln und kenne mich gut aus in der Fantasy Welt. Schon in der Schule haben meine Freunde und ich uns die Nerd-Gruppe genannt. Wir sehen das nicht als Abwertung, sondern als Beschreibung. Wir interessieren uns für Computerspiele, Brettspiele, Fantasy – das ist, was ich mag, womit ich mich wohlfühle. Mittlerweile studiere ich Informatik, womit ich in bester Gesellschaft von Menschen mit ähnlichen Interessen bin."

Tabi, 17, Schülerin, Fan der deutschen Indie-Pop-Band Jeremias

© Annika Krause

„Ich kenne Jeremias seit drei Jahren, als sie noch recht unbekannt waren. Auf dem ersten Konzert, das ich von ihnen besucht habe, waren vielleicht 200 Menschen. Die größte Show in diesem Jahr war mit 7000 Leuten. Ich fühle mich verbunden mit ihnen, finde mich in den Texten wieder. Die Musik ist super facettenreich – es gibt emotionale Musik und welche, die mich einfach glücklich macht. Ich bin immer mehr in diese Welt eingetaucht und dankbar für alle Menschen, die ich dadurch kennengelernt habe. Über Social Media sind wir gut vernetzt und treffen uns zu den Konzerten in verschiedenen Städten. Für die Konzerte in Berlin und Hamburg standen wir ab 8 Uhr morgens in der Schlange, Einlass war gegen 18 Uhr. Die 10 Stunden dazwischen gingen ganz schnell vorbei – wir haben gequatscht, Plakate gemalt, Armbänder gebastelt. Natürlich stecke ich viel Zeit und Geld in die Reisen und Konzerttickets, aber das ist es mir auf jeden Fall wert. Ich kellnere und verdiene mein eigenes Geld, das ich dafür ausgeben kann. Für mich lohnt sich das, die Konzerte geben mir einfach extrem viel."

Anna-Lena, 19, Schülerin Fan der 1. FC Köln Frauen-Mannschaft

© Annika Krause

„Mein Vater ist großer 1. FC Köln Fan, sodass Fußball schon immer ein Teil meines Lebens war. Wir sind früher oft zusammen ins Stadion gegangen. Vor einem Jahr habe ich die Frauen-Mannschaft für mich entdeckt und seitdem nimmt Fußball einen noch größeren Teil meines Lebens ein. Mittlerweile habe ich eine eigene Dauerkarte und bin jedes Wochenende im Stadion zu finden. Zusammen mit dem Fanclub bin ich bei Heimspielen und Auswärtsfahrten immer mit dabei. Ich arbeite neben der Schule 12 Stunden pro Woche im Supermarkt, um mir die Reisen und Tickets leisten zu können. Nach dem Abitur möchte ich meine Trainerlizenz machen. Mir gefällt an Fußball, dass es ein Teamsport ist. Man muss als Team zusammenarbeiten und kann nur als Team gewinnen. Im Stadion passiert so viel auf einmal, es gibt so viele Emotionen, so viel Zusammenhalt. Meine Freunde und Freundinnen außerhalb des Fanclubs interessieren sich nicht so sehr für Fußball. Manche finden, dass ich zu wenig Zeit für andere Dinge habe. Für mich ist Fußball aber einfach das Wichtigste in meinem Leben, Fußball ist meine Freizeit."