Kolumne
Taschentuchalarm
Frau Karli · 14.10.2013
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Es gibt doch nichts Herrlicheres als Kindertränen! Ich meine nicht unbedingt Quengeligkeits- oder Wutattacken-Tränen. Oder gar die Tränen, die vom Schmerz verursacht werden. Nein, ich meine die schönen Tränen! Die, die – einer zarten Regung folgend – vor Rührung fließen.
Nie vergesse ich den Tag, an dem meine fünfjährige Tochter M. erstmals angesichts einer Filmszene weinen musste: Nach einem dramatischen Show-down fiel Pinocchio Geppetto in die Arme und entschuldigte sich mit ergreifenden Worten dafür, „kein richtiger Junge“ zu sein. Worauf der alte Geppetto erwiderte: „Was redest du denn da. Du bist mein Sohn!“ Die Tränchen, die die kindlichen Wangen meiner Tochter herabkullerten! Ihr Blick! Hach, von dieser Erinnerung werde ich noch als alte Frau zehren.
Überhaupt kann Heulen so gesund sein: Forscher halten Weinen für eine Kommunikationsform, die lange vor dem Sprechen entstanden ist. Und Tränen, die vor Mitgefühl fließen, sind etwas ganz besonderes: Nach Auffassung von Psychologen hilft Rührung dem Menschen, mit seinen tiefsten Sinngefühlen und Sehnsüchten in Kontakt zu kommen. Rührung ist ein Gefühl der inneren Ergriffenheit und wird – wenn sie ausgelebt werden darf – zum Elixier einer liebevollen Verbindung. Klingt das nicht toll? Ich jedenfalls unterstütze meine Tochter gerne dabei, ihre innigsten Regungen zu ergründen. Und ich kann wahrlich nachempfinden, was sie anrührt: Kleine Pfoten und geduckte Mäusekörper, fragende Gesichtsausdrücke, Geschichten von Liebe und Mut – und Musik, Musik, Musik.
Ich weiß: Irgendwann wird meine Tochter mich alt und doof und peinlich finden und nicht mehr all ihre Empfindungen so bereitwillig mit mir teilen. Bis dahin koste ich die Zeit aus und schniefe und schnäuze mich gemeinsam mit ihr – als persönlichkeitsbildende Maßnahme sozusagen – durch unvergessliche Stunden mit „Mimi und Brumm“, dem letzten Einhorn und Youtube-Clips. Zum Beispiel von Johnny Logans legendärer Grand-Prix-Performance 1987: Wussten Sie, dass seine Frau ihn kurz zuvor verlassen hatte? Und dass sie nach seiner herzzerreißenden Darbietung von „Hold me now“ zu ihm, dem frisch gekürten Grand-Prix-Sieger, zurückkehrte? Ja, ja, spotten Sie nur. Aber auch Sie werden Ihre Knöpfe haben, da bin ich mir sicher. Und wenn man nicht gelegentlich frei und willig selbst auf diese Knöpfe drückt, tut es vielleicht ein anderer. Wer weiß.
Herzlichst Ihre
Frau Karli
© John Krempl/photocase.com