Kolumne
Dauerschleife
Frau Karli · 12.02.2019
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Tränen, Frustration, aufkeimender Ehrgeiz, zittrige Versuche – dann wieder Tränen, Frustration und so weiter: Unsere Fünfjährige macht dieser Tage eine Krise durch und wir als Eltern sind gefragt, sie achtsam zu begleiten. Also sie zu fördern, sie aber nicht durch zu viel puschelige Förderung zu nachhaltiger Unselbstständigkeit und Blödbommeligkeit zu verdammen. Es geht um die Kunst, eine Schleife zu knoten.
Auch wenn ich unsere Tochter nicht als feinmotorisch unbegabt bezeichnen würde, bekommt sie noch immer keine Schleife hin, was sie ungemein wurmt. Das ist auch schon der Kern des Problems, wenn Sie mich fragen. Ihre Ungeduld umnebelt ihre Auffassungsgabe, deshalb sage ich gerne Zen-fähige Sprüche auf wie „Wenn du ruhig und froh bleibst, können deine Finger besser lernen“. Ich spüre in solchen Momenten den huldvollen Zuspruch meiner Ahnen, deren geistiges Leben durch Konfuzius geordnet und dann durch Laotse wieder gelockert wurde.
Meiner Tochter freilich ist das alles herzlich egal. „Zeig es mir noch mal, Mama! Noch mal!“ Also binde ich Schleifen für mein Fleisch und Blut. Ihre flackernden Augen folgen meinen Fingern und dem Garn. Ganz langsam. Ein Hasenohr – dann ein Schal für das Hasen- ohr – und dann durchziehen. Danach folgen meine Augen ihren Fingerchen. Ganz langsam. Und dann, am Punkt des ewigen Fehlers, wenn ich korrigierend auf sie einwirken will, kommt der absolute Widerstand. „Nein, Mama! Lass mich! Das Hasenohr ist kaputt!!! Ich schaffe es nie, nie!“ Ich atme. Ruhig. Nein, nein, wir werden nicht laut. Eine Mama muss das sich aufbäumende Kind ermutigen, ihm ein Vorbild sein – auch wenn sie Schlafmangel und tonnenweise Zeug zu erledigen hat. „Noch mal, Mama, noch mal!“ So geht es weiter und weiter und ich spüre, wie mir mein Zen-Dings allmählich abhanden kommt. Ich kämpfe die Idee nieder, einfach ein Youtube-Tutorial in der Dauerschleife (haha!) abzuspielen und die Tochter geknebelt davor zu setzen. Man muss doch wenigstens die Vorteile der verdammten Digitalisierung nutzen, oder nicht?! Dann melden sich auch noch meine neunmalklugen Vorfahren zu Wort! Die haben gut reden – schließlich lebten sie, mit Personal, in einer Zeit ohne ständiges Dazwischengefunke, ohne nervige Nebenbei-Aufgaben, wie dringend noch den Authentifizierungscode für die blöde Steuersoftware auftreiben zu müssen, einkaufen und Passwörter für die Erweiterung des Dropbox-Volumens raussuchen und dabei auch noch lieblich aussehen zu müssen!! Und überhaupt. Die sollen erst mal lernen, meinen Vornamen richtig auszusprechen. Ist doch wahr!
Herzlichst Ihre
Frau Karli
© John Krempl/photocase.com
In jeder KÄNGURU-Ausgabe und online: Witzig, warmherzig und mit scharfem Verstand berichtet Frau Karli in ihrer Kolumne aus ihrem Familienleben. Kennt ihr schon alle Frau-Karli-Texte?