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Familienleben

Teilzeitausbildung – Vereinbarkeit von Familie und Ausbildung

Saskia Jakisch · 03.04.2024

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© contrastwerkstatt/Adobe Sock

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Es gibt viele Gründe, warum Eltern sich wünschen, noch einmal komplett neu durchzustarten. Einer davon ist der oft mühsame Wiedereinstieg in das Berufsleben nach der Elternzeit. Aber wie soll ein Neustart gelingen zwischen Kita, Spielplatz und Wäschebergen?

Die Lösung ist eine Ausbildung in Teilzeit. Der Abschluss ist gleichwertig, je nachdem verlängert sich die Ausbildungsdauer. Obwohl die gesetzlichen Grundlagen schon seit 2005 geschaffen wurden, ist die Ausbildung in Teilzeit in Deutschland als Option für Auszubildende und Betriebe vielfach noch unbekannt. Seit dem 01.01.2020 steht die Teilzeitausbildung nicht mehr nur speziellen Personengruppen wie Müttern und Vätern mit kleineren Kindern oder Menschen, die Angehörige pflegen, offen, sondern ist für jede:n Interessierte:n zugänglich, je nach individueller Lebenssituation.

Aber gerade für Eltern mit kleineren Kindern ist dieses Angebot attraktiv. Sie stehen nach der Elternzeit oft ratlos da. Sei es, dass der Arbeitgeber nicht so mitspielt, wie man es möchte, oder aber der gelernte Beruf ist mit der Kinderbetreuung nicht kompatibel. Vielleicht steht man auch ohne Ausbildung da und schlägt sich mit schlecht bezahlten Jobs herum. Oder die abgeschlossene Ausbildung aus einem anderen Land wird in Deutschland nicht anerkannt. Eine Teilzeitausbildung ermöglicht die bessere Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Verpflichtungen. Und damit eröffnen sich Perspektiven für eine langfristige eigenständige Existenz.

Teilzeit mit Zustimmung des Betriebs

Grundsätzlich können alle dualen Ausbildungsberufe in Teilzeit absolviert werden. So zum Beispiel Erziehungskraft, Fachinformatiker:in, Pflegekraft, Verkäufer:in, Kauffachkraft für Büromanagement oder Fahrzeuglackierer:in. Alles ist möglich. Voraussetzung ist immer, dass der gewünschte Ausbildungsbetrieb der Ausbildung in Teilzeit zustimmt und man sich auf die wöchentliche Arbeitszeit einigt. „30 Stunden die Woche sind hier sinnvoll“, sagt Mirijam Jung vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschland e. V. (CJD) Bonn Rhein-Sieg. „Dann können die Azubis zweimal die Woche in die Berufsschule und dreimal die Woche für jeweils sechs Stunden in den Ausbildungsbetrieb. Ein paar Stunden weniger oder mehr ist aber auch möglich.“

Die Bewerber:innen benötigen je nach gewünschtem Ausbildungsberuf mindestens einen Hauptschulabschluss (möglichst) nach Klasse 10 sowie Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2. Die Unternehmen stehen dem Thema Teilzeitausbildung immer offener gegenüber. Der Fachkräftemangel lässt grüßen. Fast alle Branchen suchen Mitarbeiter:innen. Die Erfahrungen zeigen, dass die Azubis in Teilzeit oft sehr motivierte Mitarbeiter:innen sind. Für viele ist es die letzte Chance, noch eine Berufsausbildung abzuschließen. Oft sind die Ausbildungsbetriebe so zufrieden, dass die Azubis im Anschluss fest übernommen werden.

Wo bekomme ich Unterstützung?

Wenn sich ein Elternteil entscheidet, eine Berufsausbildung in Teilzeit anzufragen, bekommt er oder sie Unterstützung bei Beratungsstellen, welche das Programm „Teilzeitberufsausbildung – Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen“ (TEP) anbieten. Diese werden vom Land NRW sowie aus Mitteln der Europäischen Union finanziert. Das Programm ist zwischenzeitlich in allen Regionen Nordrhein-Westfalens umgesetzt. Das TEP-Programm unterstützt Menschen mit Familienverantwortung bei der Suche nach einem betrieblichen Ausbildungsplatz in Teilzeit. Es gibt Hilfestellungen, um Familie und Ausbildung zu vereinbaren. So wird auch geprüft, wie die Betreuung der Kinder beziehungsweise die Pflege eines Angehörigen sowie die finanzielle Situation während der Ausbildung in Teilzeit abgesichert werden kann. Die Teilnehmenden werden gecoacht, qualifiziert und beruflich vorbereitet und während der ersten Ausbildungsmonate individuell begleitet. Das Programm ist für die Teilnehmenden kostenfrei.


© Drazen/Adobe Stock

Teilzeitausbildung in Unternehmen. Das geht!

Die Beratungsstellen unterstützen ebenso die Ausbildungsbetriebe zum Thema Teilzeitausbildung. Sie beraten zu Fragen über Dauer der Ausbildung, Vergütung und Ablauf. Die Unternehmen steigern so ihre Attraktivität als Arbeitgeber und können sich als familienfreundlich positionieren. Außerdem profitieren sie von einer besonders hohen Motivation der Auszubildenden sowie von der Organisationserfahrung durch das Familienmanagement. Da viele Azubis froh sind, eine solche Chance in Teilzeit zu bekommen, besteht eine hohe Bindung an den Ausbildungsbetrieb. Gerade für kleinere Betriebe, denen die personellen und finanziellen Ressourcen für die Durchführung von Vollzeitausbildungen fehlen, ist die Ausbildung in Teilzeit interessant.


Beratungsstellen zur Teilzeitausbildung in der Region

Bonn und Rhein-Sieg
Christliches Jugenddorfwerk Deutschland e. V. (CJD)

Köln und Oberbergischer Kreis
Diakonie Michaelshoven Arbeit und Qualifizierung gGmbH

Rhein-Erft-Kreis
ASH-Sprungbrett e. V.

Leverkusen
Wuppermann Bildungswerk Leverkusen GmbH

Rheinisch-Bergischer Kreis
Wirtschaftsakademie Küster GmbH


Eine Auszubildende in Teilzeit stellt sich vor

Rita Matlewsky, 42 Jahre, ist Mutter von drei Kindern im Alter von 5, 8 und 13 Jahren. Sie ist alleinerziehend und hat keine Familie in der näheren Umgebung. Bisher hat sie immer nur gejobbt – ohne Berufsabschluss. Meist bei Zeitarbeitsfirmen oder in Fabriken. Den Gedanken, irgendwann eine richtige Ausbildung zu machen, hatte sie schon länger. „Ich bin wirklich gerne Mama, aber ich möchte halt auch gelegentlich wieder Rita sein“, erzählt sie. Die Arbeitsagentur hat sie zum CJD (Christliches Jugenddorfwerk Deutschland e. V.) weitervermittelt. Dort wurde sie umfassend beraten. Da Rita etwas Richtung Pflege und Medizin machen wollte, stand schnell fest, dass die Ausbildung als Medizinische Fachangestellte für sie passend ist.

„Es war ein langer Kampf“, so Rita Matlewsky, „der zwei Jahre gedauert hat. Manchmal war es wirklich frustrierend und ich hätte fast aufgegeben. Aber die Leute vom CJD haben immer an mich geglaubt.“ Zum Bewerbungsgespräch wurde sie oft eingeladen, zum Probearbeiten ebenfalls. Dann jedoch hieß es immer, man halte sie für gut, aber drei Kinder und alleinerziehend, da traute ihr kaum jemand zu, dass sie die Ausbildung durchhält.

Bis sie zu ihrem jetzigen Ausbildungsbetrieb kam – eine Frauenarztpraxis. „Dort wird eigentlich gar nicht mehr ausgebildet, aber man wollte mir eine Chance geben“, berichtet Rita. Das Team fand es auch gut, dass sie schon älter ist und über Lebenserfahrung verfügt. Inzwischen ist Rita schon ein Jahr dort und sagt selbst: „Ich bin in der besten Praxis, die es gibt.“ Ihr erstes Zeugnis besteht nur aus guten Noten. Und auf der Weihnachtskarte von ihrer Chefin stand, sie sei ein Gewinn für die Praxis. Die Patientinnen haben sie ins Herz geschlossen. Das macht Rita stolz. „Es ist schön zu wissen, dass man gebraucht wird“, sagt sie.

Für ihre Kinder war es eine Umstellung. Sie mussten schnell dazulernen, damit der Alltag funktioniert. An einem Tag hat Rita erst um 17 Uhr Schluss. Dann holt eine Freundin die kleinste Tochter aus dem Kindergarten ab und betreut diese, bis Rita zu Hause ist. Organisation ist alles. Alle 14 Tage, wenn die Kinder beim Vater sind, arbeitet Rita noch in einem Supermarkt. Nur von ihrem Azubigehalt kommen sie nicht über die Runden. Sie hofft, dass sie in zwei Jahren, wenn die Ausbildung beendet ist, übernommen wird. Dann wird alles ein wenig einfacher. Was Rita ihren Kindern mit auf den Weg gibt? Immer an sich glauben und an seine Ziele. Nie aufgeben. Dann kann man alles erreichen.