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Rund ums Baby

Hypnobirthing in der Geburtsvorbereitung

Golrokh Esmaili · 05.01.2016

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Foto: Pexels

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Hypnobirthing will Frauen zu einer selbstbestimmten und möglichst schmerzfreien Geburt verhelfen

„PRESSEN! Sie müssen weiter PRESSEN, nicht aufhören!!!“, schreit der Arzt Bettina (34) an. Vor Schmerzen erkennt sie kaum noch sein Gesicht, geschweige denn irgendetwas anderes in diesem Entbindungszimmer. Bettina liegt seit 25 Stunden in den Wehen – unermessliche Schmerzen, die sie auch Jahre später in ihrem Ausmaß nicht zu beschreiben vermag. Sie sind ihr so nachhaltig in Erinnerung geblieben, dass sie für immer ein zweites Kind ausschließt. Und sie ist kein Einzelfall. Bei manch einer Frau führt ein traumatisches Geburtserlebnis zu dem Entschluss, es bei einem Kind zu belassen. Das bestätigt gerade eine Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock. Neben Stress und gesundheitlichen Komplikationen bei den Müttern – so heißt es in der Studie – können auch Schmerzen bei der Geburt zu der Entscheidung führen, sich diesen nicht noch einmal auszusetzen.

Der Natürlichkeit beraubt

Wann und warum ist eigentlich die natürlichste Sache der Welt zu solch einer großen und schmerzhaften Angelegenheit geworden? Schwangere erzählen, dass die Klinikatmosphäre – das gleißende Licht, die sterile Umgebung, wechselnde Ärzte und Hebammen – sie stark verunsichert hätten. Manch eine Schwangere fühlt sich beim Betreten des Krankenhauses ihrer Selbstbestimmung beraubt. Andere fühlen sich krank.

Bettinas Freundin Jule hat während ihrer Entbindung ein ähnliches Geburtstrauma erlebt, allerdings brachte sie das nicht von einem weiteren Wunschkind ab. Sie beschloss jedoch, sich beim nächsten Mal besser vorzubereiten. Von ihrer Hebamme bekam sie den Tipp, einen geburtsvorbereitenden Hypnobirthing-Kurs zu belegen. Das war das erste Mal, dass sie etwas von „Hypnobirthing“ hörte. Auf den entsprechenden Webseiten, über die sie sich informierte, las sie folgende Sätze: „Zusammen mit ihrem Geburtspartner erfährt die Mutter die Geburt als ein freudvolles, einfaches, oftmals schmerzfreies Ereignis. So wird die Geburt zu einer naturnahen, sehr positiven Erfahrung.“ Jule entschied, dass sie genau das erleben wollte. Alles war besser, als noch einmal diese Schmerzen zu haben.

Hypnobirthing in den Anfängen

Der englische Gynäkologe Grantly Dick-Read (1890 bis 1959) war davon überzeugt, dass Schmerzen unter der Geburt anders zu lindern sein müssten als mit Narkotika. Er dokumentierte jede Geburt und veröffentlichte im Jahr 1933 sein Buch „Die natürliche Geburt“. In diesem beschreibt er, dass Angst und Unwissenheit die schlimmsten Feinde der natürlichen Entbindung seien. Seiner Meinung nach ist eine Geburt kein Schmerz, sondern Arbeit. Er vermeidet negativ besetzte Wörter wie Wehen oder Schmerzen und spricht stattdessen vom „Muskelgefühl der Gebärmutter“.

„Wir wollen nicht nur einen angenehmen Geburtsverlauf erreichen, ohne Risiken für Mutter und Kind; wir müssen noch weiter gehen. Wir müssen begreifen, dass die Geburt eines Kindes nicht nur eine körperliche, sondern ganz grundlegend eine ebenso spirituelle Leistung ist ... Die Geburt eines Kindes ist die unübertreffbare Vollendung menschlicher Liebe.“

Die Amerikanerin Marie F. Mongan entwickelte auf dieser Basis und vor dem Hintergrund ihrer eigenen Geburtserfahrungen in den späten 80er-Jahren eine neue Methode zur Geburtsvorbereitung, die auf Aufklärung, Entspannung und Lockerungsübungen basiert. Mit Hilfe von Selbsthypnose sollen sich Frauen selbstbestimmt und erfolgreich durch die Geburt führen können. Durch Übungen in Kursen lernen sie, sich in einen tranceartigen Zustand zu versetzen. Sie ziehen sich in ihr Innerstes zurück und können gesammelt und konzentriert in das Geburtsgeschehen gleiten. Die stärkende Vorbereitungsmethode will Frauen ermöglichen, Schwangerschaft und Geburt als natürliche Erfahrungen und mit Vertrauen in die Fähigkeiten des eigenen Körpers zu erleben.

Schmerzen erleben in Trance

Beate Switala, Hypnobirth-Terapeutin in Köln, hat in den letzten 15 Jahren 60 Hebammen zu Hypnobirthing-Therapeutinnen ausgebildet. Sie selbst lehrt nicht nur, sondern wendet die Selbsthypnose auch in ihrem Alltag an. Vor Kurzem erst hat sie sich die Schulter operieren lassen – bei vollem Bewusstsein, ohne jegliche Form von Betäubung, nur eben in Trance. „Die Fähigkeit zur Trance ist jedem Menschen angeboren und ein Alltagsphänomen. Jeder Mensch geht täglich in Trancezustände hinein und wieder hinaus, ohne diese Zustände als solche zu erkennen oder zu benennen. Es sind Zustände nicht nur von Tagträumerei, sondern auch von besonderer Konzentration auf etwas. Das kann etwas sein, das uns innerlich aktuell beschäftigt oder im Außen besonders interessiert oder fasziniert“, erklärt Switala.

Hypnose bedeutet also, diese natürlichen Trancezustände in gewünschter Tiefe oder Leichtigkeit aktiv herzustellen und mit bestimmten Strategien gezielt und hilfreich zu nutzen. Ihren Kursteilnehmerinnen vermittelt Switala in fünf Sitzungen Techniken der Selbsthypnose, um damit ins Innere zu gehen und weibliche Kräfte zu aktivieren, die vielleicht im Verborgenen liegen. Die Frauen in ihren Kursen gehen die Geburt vor ihrem geistigen Auge durch und setzen sich mit vergangenen Geburten auseinander – so werden während der Sitzungen Traumata aufgelöst. Switala ist wichtig, Frauen verständlich zu machen, dass Selbsthypnose nichts mit der Schauhypnose aus dem Fernsehen zu tun hat.

Keine zu hohen Erwartungen schüren

Es scheint also, als sei durch die Methoden des Hypnobirthings der Traum einer weniger schmerzhaften Geburt in greifbare Nähe gerückt. Aber funktioniert das auch im Klinikumfeld? Verschiedene Hebammenblogs berichten, dass überdurchschnittlich viele Frauen, die mit Hilfe des Hypnobirthings im Krankenhaus entbinden wollten, letztendlich ihre Kinder per Kaiserschnitt gebären mussten. Geht also das Konzept des Hypnobirthings nur dann auf, wenn die Frau ohne Komplikationen zu Hause entbindet? Beate Switala stimmt dem nicht zu. Wichtig sei es, die Frauen in den Kursen auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Sie rät werdenden Müttern, Krankenhäusern und Ärzten gegenüber offen zu bleiben. Allerdings wünscht sie sich, dass noch mehr Kolleginnen – auch aus den Kliniken – sich über die Techniken informieren und ausbilden lassen.

Jule hat – trotz Hypnobirthing-Kurs – während der Geburt ihres zweiten Kindes Karl keine Freudentänze aufgeführt. Aber sie hat ihn selbstbestimmt und zu Hause, erfolgreich und vor allem mit viel weniger Schmerzen geboren. Und sollte es ein drittes Mal geben – wer weiß, vielleicht erlebt sie dann tatsächlich in Trance eine schmerzfreie Geburt. Zu wünschen wäre es nicht nur ihr, sondern allen werdenden Müttern.

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