Kolumne
Mach es selbst!
Holger Müller · 12.03.2019
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Die ältere Tochter ist zum Studieren in eine andere Stadt gezogen. In eine 4-er WG, ganz paritätisch, zwei junge Frauen, zwei junge Männer. Letzte Woche rief sie aufgeregt an: Ihr Fahrrad habe einen Platten. Meine pragmatische Antwort: „Aha, sonst nix? Wo ist das Problem? Musst du eben flicken.“ Nun stellte sich aber heraus, dass niemand aus dieser jungen WG im Stande war, einen Platten zu flicken. Anfangs noch ungläubig – bestimmt können die das, müssen vielleicht auf eine Klausur lernen, haben einen Termin an der Uni oder so – wurde ich bald eines Besseren belehrt und war schockiert. Auch über die Eltern, also anteilig über uns. Wir haben unsere Tochter in die Welt entlassen, ohne dass sie einen Platten am Fahrrad beheben kann … vorne wohlgemerkt! Ich habe das von meinem Großvater gelernt. Nicht gelernt, wie man etwas in der Schule lernt, sondern einfach so „mitbekommen“. Wann immer was am Rad war, hat er sich gekümmert. Und irgendwann habe ich es selbst gemacht. Immer noch mit meinem Großvater, der Gesellschaft wegen, denke ich.
Zurück zu letzter Woche: Über einen Videotelefoniedienst haben wir uns der Sache dann angenommen. Es war ein recht zähes Ringen, das am Ende von Erfolg gekrönt war. Und das Schöne dabei: Wir haben über eine Entfernung von 200 Kilometern gemeinsam etwas repariert. Müsste man eigentlich öfter machen, das mit dem Reparieren. Aber mal fehlt das Werkzeug, mal sind Theorie und Praxis nicht unbedingt deckungsgleich, mal sagen Fachleute, das gehe nicht. Dabei ist etwas selbst repariert zu haben, ein besonderes Erfolgserlebnis. Zudem schont es die Umwelt, da nichts weggeworfen wird. Zum Thema gibt es ein wunderbar motivierendes Buch: „Die Kultur der Reparatur“ von Wolfgang M. Heckl. Ein Plädoyer für das inspirierende Wagnis, Reparaturen aller Art selbst in die Hand zu nehmen und letztendlich auch Verantwortung für die Welt der Dinge zu übernehmen. Nachahmens- und lesenswert!
Autor Holger Müller lebt mit Frau und Töchtern in Köln. Als Familie versuchen sie, das komplexe Thema Nachhaltigkeit in ihrem Alltag zu leben. Holger arbeitet als Qualitätsmanager an einer Hochschule und lehrt an der Universität Duisburg-Essen, wie Nachhaltigkeit und Zukunft zu gestalten sind. Im KÄNGURU schreibt er regelmäßig über diese Ideen in seiner Kolumne „Grüner Leben“.
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