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Bildung

100 Jahre Waldorfpädagogik

Janina Mogendorf · 25.04.2019

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Rund um den Globus feiern Waldorfschulen und -kindergärten das Jubiläum mit vielfältigen Aktionen und vernetzen sich dabei auf sportliche, ökologische, und künstlerische Weise. Dabei stellt sich die Waldorffamilie als lebendige und dynamische Bildungsbewegung vor, die unter dem Motto „Learn to Change the World“ Antworten auf sehr aktuelle Fragen findet.

Etwa mit dem Jubiläumsprojekt „Bees & Trees“, das sich dem Schutz der Artenvielfalt widmet. Zu jeder Waldorfeinrichtung gehört traditionell ein Garten, in dem Kinder gemeinsam werken und die natürlichen Rhythmen und Zusammenhänge der Natur mit allen Sinnen erleben. Mit „Bees & Trees“ schaffen Waldorfschüler nun weltweit neuen Lebensraum für Insekten, vor allem für die gefährdeten Bienen. Sie pflanzen bienenfreundliche Bäume, legen Bienenweiden an und bauen Insektenhotels. Ihre Botschaft: Veränderung beginnt im eigenen (Schul-)Garten und Naturschutz lässt sich ins alltägliche Leben integrieren.

Waldorf 100 Bienenbeobachtung
Waldorf100: Bees & Trees Bienenbeobachtung / Copyright Bund der Freien Waldorfschulen, Charlotte Fischer

Gemeinsam mit Herz und Hand

„Die Dinge nicht nur mit dem Kopf lernen, sondern auch mit Herz und Hand. Das ist ein zentraler Bestandteil der Waldorfpädagogik“, sagt Dorothee Schaller, deren Tochter Linda die Waldorfschule in Bonn besucht. „In der dritten Klasse gibt es eine Ackerbau-Epoche mit dem Thema vom ‚Korn zum Brot‘. Die Kinder gehen dazu in den Garten, säen und ernten Getreide, dreschen und mahlen das Korn, kneten Teig und backen Brot“, verdeutlich sie.  In der ‚Hausbau-Epoche‘ seien auch die Eltern gefragt gewesen. „Manche Klassenlehrer errichten sogar gemeinsam mit Kindern und Eltern ein Gartenhaus oder ähnliches auf dem Schulgelände.“

Epochenunterricht ist typisch Waldorf. Die Schüler beschäftigen sich über mehrere Wochen intensiv mit einem Thema und schließen es dann ab. Vor allem Deutsch, Mathe, Natur- oder Sozialwissenschaften bieten sich für diesen epochalen Unterricht an. Fremdsprachen oder Musik, die kontinuierliches Üben erfordern, werden meistens fortlaufend unterrichtet. „Was im Epochenunterricht erlernt wird, arbeitet danach im Verborgenen weiter. Die Kinder können es Monate später wieder abrufen, und die Lehrer knüpfen nach einer Wiederholung daran an“, sagt Dorothee Schaller.

Das Eltern-Engagement gehört zum Konzept. Die Vielfalt der Tätigkeiten ist groß und reicht vom Basteln für den Basar bis zu betriebswirtschaftlichen Aufgaben. Denn Waldorfschulen werden von Eltern und Lehrern ohne klassische Direktion verwaltet. Natürlich sind die Eltern auch bei den Jubiläumsaktionen mit von der Partie. Etwa beim deutschlandweiten Staffellauf, der 2018 beim Flensburger Stadtmarathon startete und 245 Schulorte verbindet. Auf Fahr- und Einrädern, mit Paddelbooten und Surfbrettern, per Pedes und hoch zu Ross sind die Teilnehmer unterwegs. Dabei sammeln sie Spenden für Waldorfprojekte auf der ganzen Welt.

Waldorf 100 Staffellauf auf Einrädern
Waldorf100: Staffellauf / Copyright Bund der Freien Waldorfschulen

Förderung statt Auslese

Um die globale Waldorffamilie geht es auch beim Kartentausch-Projekt. Während digitale Kommunikation sekundenschnell, aber auch flüchtig ist, werden hier greifbare Verbindungen geschaffen. Seit 2017 gestalten und senden die Schüler der rund 1.150 Waldorfschulen einander Ansichtskarten, die auf großen Pinnwänden in jeder Schule gesammelt werden. Sie sollen die Vielfalt und den Zusammenhalt der Waldorfgemeinschaft veranschaulichen. Auch das Foyer an der Bonner Waldorfschule füllt sich mit bunten Grüßen aus aller Welt und zeigt, wie weit sich die Waldorfidee in den vergangen 100 Jahren verbreitet hat.

Am 7. September 1919 gründete Emil Molt, Besitzer der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik, gemeinsam mit dem Anthroposophen Rudolf Steiner die erste Waldorfschule in Stuttgart. Eine neuartige Gesamtschule, die allen Schülern unabhängig von Geschlecht, sozialer Herkunft und Begabung eine gute Bildung ermöglichen und Chancen für die Zukunft eröffnen sollte. Förderung statt Auslese und die freie Entfaltung der Heranwachsenden standen dabei im Mittelpunkt. Bis heute zielen die besonderen Elemente der Waldorfpädagogik darauf ab.

„Um eine stabile Lerngemeinschaft zu schaffen, bleiben die Schüler von der ersten bis zur zwölften Klasse zusammen“, erklärt Dorothee Schaller. „Noten oder Sitzenbleiben gibt es nicht, und bis zum achten Schuljahr haben die Kinder nach Möglichkeit auch denselben Klassenlehrer.“ Der Lehrplan richtet sich vor allem nach Erkenntnissen der Menschenkunde. Künstlerischer und handwerklicher Unterricht zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Schulzeit, er soll schöpferische Fähigkeiten und Erlebniskräfte wecken.

In die Zukunft schauen

„Dazu gehören Musik, Eurythmie, Malen und Zeichnen, Handarbeit, Bildhauen, Holz- und Metallwerken“, zählt Dorothee Schaller auf. Es gehe weniger darum, Techniken zu vermitteln und künftige Künstler und Musiker auszubilden, sondern den Sinn der Kinder für Schönheit und Ästhetik zu entwickeln. „Wenn die Kinder singen oder Instrumente spielen, finden sie einen Rhythmus, achten aufeinander, bleiben miteinander im Takt.“

Ein Höhepunkt der Klassenlehrerzeit ist das Achtklassspiel, ein großes Theaterstück, das die Schüler mit ihren Klassenlehrern zum Ende der achten Klasse auf die Bühne bringen. „Auch hier helfen die Eltern, Kostüme zu schneidern, das Bühnenbild zu bauen oder die musikalische Begleitung zu organisieren“, sagt Dorothee Schaller. Monatelang sind die Kinder mit Vorbereitung und Proben beschäftigt. Der Unterricht läuft reduziert nebenher. „Es ist ein Gemeinschaftsprojekt, das extrem zusammenschweißt und die Schüler in ihrer Entwicklung weit nach vorne bringt“, ist ihre Erfahrung.

100 Jahre Waldorf ist nicht nur eine Zeit der Retrospektive, sondern eine Gelegenheit in die Zukunft zu schauen. „Was sind die Nöte der Zeit? Aus dieser Frage heraus ist die Schule damals gegründet worden“, sagt Albrecht Schad, vom Seminar für Waldorfpädagogik an der Freien Hochschule Freiburg im Jubiläumsfilm. Und dieser Frage stellt sich die Bewegung heute wieder. Denn sie möchte sich ausweiten und Zukunft gestalten in allen Facetten. „Wir müssen viele Generationen vorausschauen“, sagt die US-Amerikanische Waldorfpädagogin Anjum Mir. „Aber die Samen werden heute gesetzt.“